Hier kommen die Technokraten – Jouke de Vries

Quelle: Jouke de Vries: Here come the technocrats – DutchNews.nl
Anmerkung meinerseits: Dieser Artikel erschien am 27. Juni 2012. Dank an Patrick Wood fürs Reposten. Denn obwohl er mehr als eine Dekade auf dem Buckel hat, beweist er, dass es schon damals Menschen gab, die die allgemeine „Stoßrichtung“ recht deutlich erkannt haben: Systemwechsel von den etablierten politischen Systemen hin zu technokratischer Regierungsführung. Heute, 13 Jahre später, wird diese „Wachablösung“ massiv beschleunigt. Die aktuelle Regierung unter dem Trojaner Trump zeigt absolut klar und deutlich, dass Technokraten (wie Musk oder Peter Thiel) jetzt schrittweise die Führung übernehmen sollen. Das wäre auch mein einziger Kritikpunkt an diesem Artikel: Der Autor meint – wie so viele andere auch – es handele sich um ein „Versagen“ der etablierten Politik. In manchen Fällen mag das auch zutreffen, aber Fakt ist, dass viele Führungspolitiker aus genau denjenigen „Denkfabriken“, sprich machtelitären Institutionen stammen, auf deren Programm schon seit langer Zeit die Errichtung eben dieser Technokratie steht. Mit anderen Worten: Nicht jedes „Staatsversagen“ war auch eines, sondern ein bewusst in Kauf genommenes, um die geplante Entwicklung zu beschleunigen. Das gilt auch – und erst recht – für Deutschland. Wenn Sie einen Blick auf die Führungsspitzen der deutschen Parteienlandschaft werfen, werden sie schnell feststellen – es bedarf nur einer kurzen Recherche – dass quer durch das gesamte Parteienspektrum (CDU/CSU, SPD, FPD, Grüne) Mitglieder der „German Faction“ der Trilateralen Kommission (einer der technokratischen Think Tanks schlechthin) in prominente bzw. entscheidungsmächtige Positionen gebracht wurden.
Die Lösung der finanzwirtschaftlichen Probleme übersteigt die Macht der Politiker. Deshalb werden die Technokraten die politische Bühne betreten, schreibt Jouke de Vries.
Die niederländischen Wahlen können nicht losgelöst von den internationalen Geschehnissen betrachtet werden. Auf der internationalen Bühne erleben wir den Vormarsch der Technokraten. Die gewählten Politiker sind mit den finanzwirtschaftlichen Problemen überfordert und die Demokratie verliert langsam an Boden. Die Technokratie wird die Demokratie vorübergehend ersetzen. Das bedeutet, dass zunehmend unpolitische Beamte, Unternehmer und Professoren einen Platz in der Regierung finden werden.
Der Vormarsch der Technokraten begann in Italien, als der Druck der internationalen Ratingagenturen angesichts des enormen Defizits des Landes den clownesken Premierminister Berlusconi effektiv zum Rücktritt zwang. Mario Monti wurde ohne Wahlen zu seinem Nachfolger ernannt. Die Ernennung des Technokraten Monti belebte sofort das Vertrauen in die italienischen Institutionen. Es wird erwartet, dass der Entscheidungsprozess beschleunigt wird.
In Griechenland haben die Neuen Demokraten die linksradikale Syriza knapp geschlagen. Das bedeutet, dass Griechenland vorerst Teil der Eurozone bleiben wird und dass die Politik der Weltbank und des IWF respektiert wird. Mehrere griechische Minister sind eher Technokraten als Politiker. Die Griechen streben ein breites, nationales Kabinett an, das in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen.
Streiterei
Und nun gibt es auch in den Niederlanden Anzeichen für eine Entwicklung in Richtung Technokratie. Nach acht Wochen politischer Auseinandersetzungen sorgte die Einigung der fünf Parteien für die dringend benötigte Erleichterung. Endlich wurden Entscheidungen getroffen. Jan-Kees de Jager spielte bei den Verhandlungen eine Schlüsselrolle. Der Finanzminister sagt, er sei eigentlich kein Politiker. Wenn das so ist, was kann er dann anderes sein als ein Technokrat?
Es gibt mehrere Gründe, warum die Technokraten auf dem Vormarsch sind. Der demokratische Entscheidungsprozess ist langwierig. Es gibt eine ganze Reihe von Interessen, die berücksichtigt werden müssen. Die Situation wird noch komplizierter, wenn eine große Anzahl politischer Parteien beteiligt ist oder wenn die Polarisierung zwischen links- und rechtsextremen Parteien Druck auf die politische Mitte ausübt, was die Bildung einer stabilen Regierung nahezu unmöglich macht.
Stillstand
Ein weiterer Grund ist die politische Pattsituation. Sowohl die Linke als auch die Rechte können mit einer mehr oder weniger gleichen Anzahl von Stimmen rechnen, was keine günstige Situation für weitreichende Entscheidungen ist.
Und dann ist da noch der Druck aus dem Ausland: Die internationale Finanzpolitik, die von der Weltbank, dem IWF und der Europäischen Union festgelegt und umgesetzt wird, ist ebenfalls ein Anreiz für die Technokratie. Im Mittelpunkt dieser Politik stehen Sparmaßnahmen (die 3-%-Norm ist in den Niederlanden in Stein gemeißelt) und die Privatisierung von Unternehmen des öffentlichen Sektors.
Schließlich macht es der parteipolitische Protest gegen die Kürzungen einer demokratischen Regierung fast unmöglich, Reformen umzusetzen Das Kabinett hat bereits früher beschlossen, 18 Milliarden Euro einzusparen, die von der Kundus-Koalition um 12 Milliarden Euro erhöht wurden, während der makroökonomische Prognostiker CPB weitere 20 Milliarden Euro aufbrachte. Die Frage ist, ob eine parlamentarische Demokratie die zur Erreichung dieses Betrags erforderlichen Kürzungen umsetzen kann. Die Entwicklungen in Griechenland und Spanien zeigen, wie schwierig dies ist. Ein Kabinett aus Technokraten, das von den Wählern nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnte, scheint die logische Alternative zu sein.
Erzfeinde
Was bedeutet das alles für die Niederlande? Das Sparpaket ist zu groß, um die Regierung für irgendeine Partei attraktiv zu machen. Selbst eine solide rechtsgerichtete Regierung würde angesichts der Höhe der von ihr geforderten Kürzungen und Verbrennungen in die Knie gehen. Diejenigen, die immer noch Teil einer Regierung sein wollen, werden von dem Wunsch angetrieben, entweder an der Macht zu bleiben oder an die Macht zu kommen.
Die Niederlande werden nicht über Nacht ein Kabinett von Technokraten haben. Aber die Probleme sind so groß, dass sich auch hier die Dinge in Richtung Technokratie bewegen. Nach dem 12. September werden die Parteien ihre Differenzen weniger stark betonen müssen. Die internationalen Organisationen fordern ein Maß an Sparsamkeit, das weder die Linke noch die Rechte ignorieren können und das sie zur Zusammenarbeit zwingen wird. Unter diesem technokratischen Druck könnte jede Koalition möglich sein, sogar zwischen „Erzfeinden“ wie der konservativ-liberalen VVD und der Sozialistischen Partei.