September 21, 2024

Telegram-PR-Stunt: Gehören Sie auch nicht zu den Leuten, die hinterher sagen, ich hab’s ja gesagt?

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Da ich bereits an meinem nächsten Buch arbeite, habe ich keine Zeit mit Dummheiten zu verschwenden wie dem durchschaubaren Telegram-PR-Stunt. Ich hatte mich bereits dazu geäußert. Stattdessen wiederhole ich die wichtigsten Fakten (Parental Advisory: Explicit Lyrics!):

  • 90% der sogenannten „größten“ oder „bekanntesten“ Namen/Kanäle auf Telegram bestehen aus Gatekeepern, Limited Hangouts, Claqueren und Manipulateuren, Desinformanten und Lügnern. Kurz, Telegram war eh schon eine „kontrollierte Umgebung“. Benesch brachte es auf den Punkt: „Die allermeisten Influencer auf Telegram sind völlig unqualifiziert und/oder verbreiten gezielt Desinformation“. Was das prozentuale Verhältnis betrifft, siehe erster Satz: 90% gekauftes und/oder unaufrichtiges Gesindel, 10% Schwachmaten.
  • Eliten sind weder doof noch stockblind. Sie wissen natürlich sehr genau um den schweren Vertrauensverlust, den die von ihnen (meistens auf finanzieller Schiene) kontrollierten „Establishment-Medien“ aka Mainstream in den letzten Jahren zunehmend erlitten haben. Ergo? Nun, sie kämen natürlich nie – never ever, wovon träumen Sie eigentlich? – auf die Idee, in die alternativen Medien zu gehen, die ihrer Matrixpresse Konkurrenz machten, um dort eigene Influencer zum Zwecke der Narrativkontrolle aufzubauen. Vergessen Sie nicht: Man nennt sie ja deshalb Eliten, weil sie überhaupt nichts können, absolut hirnlos agieren und die Entwicklung im Internet natürlich völlig verschlafen haben.
  • Historische Fun Facts: Dieses Vorgehen ist alles andere als neu. Bereits zu Zeiten der französischen Revolution (genauer: Revolutionen, Plural, denn es gab mehrere über einen Zeitraum von ca. 1789-1845), als dasjenige Phänomen geboren wurde, das wir heute als modernen Massenjournalismus bzw. Massenmedien kennen, die herrschenden Eliten natürlich feststellten, das der Druck „von unten“, also von der Strasse, unaufhörlich wuchs und eine zunehmende Zahl tatsächlich unabhängiger Publikationen entstand (mal mehr, mal weniger langlebig), baute man einen entsprechenden publizistischen „Gegendruck“ auf. Allerdings sollte man dabei nicht verschweigen, daß es schon damals Claquere gab, die (im Auftrag des British Empire) kräftig Stimmung machten, um politische Ziele zu erreichen. Man könnte durchaus sagen, daß die „alternative Szene“ von damals ebenfalls infiltriert bzw. unterwandert war. Napoleon III. war nicht nur bekannt, sondern berüchtigt dafür, sich selber als Journalist zu betätigen und Artikel zu veröffentlichen, um die „Öffentliche Meinung“, wie man heute sagen würde, zu „nudgen“. Die Eliten hatten ja auch genug Ressourcen, sprich Geld, um eigene Zeitungen herauszugeben. Wie haben sie die Konkurrenz der „Straße“ ausgebootet? Indem sie sie preislich unterboten. Ihre Zeitungen waren billiger. Viele selbständige/unabhängige Publizisten konnten da nicht mehr mithalten und mußten aufgeben. So entstand im Wesentlichen das, was wir heute als „Mainstream“ kennen. Es ist immer noch eine machtelitär kontrollierte Presse. Wer sich detaillierter darüber informieren will, wird in „Fire in the Minds of Men“ von James H. Billington fündig.

Zur Unterfütterung zwei kleine Auszüge:

Der Aufstieg einer neuen Arbeiterklasse löste in den 1850er und 1886er Jahren große Ängste aus. Noch in der Erinnerung an 1848 gewährten europäische Staatsmänner der Bevölkerung nicht nur Sozialleistungen, um soziale Proteste zu entschärfen, sondern traten auch selbst in die journalistischen Listen ein, um die öffentliche Meinung mitzugestalten.

Konservative wie Bismarck und Disraeli, aber auch ein ehemaliger Freund der Revolutionäre wie Napoleon III. entwickelten journalistische Angebote und „sozialistische“ Programme. Selbst in Russland war das Innenministerium an der Gründung der ersten Arbeiterzeitschrift des Landes im Jahr 1875 beteiligt. So begann die lange Tradition der Regierung, die Organisation der Arbeiterklasse in den großen Industriekomplexen Russlands im 19. Jahrhundert.

Die eigentliche Waffe gegen die Arbeiter von 1848 bis 1914 war jedoch die neue patriotische Presse. Sie hypnotisierte die Massen überall, indem sie den alten romantischen Nationalismus an den neuen Wagen der industriellen Staatsmacht koppelte.

James H. Billington, „Fire in the Minds of Men“, Transaction Publishers, S. 337, meine Übersetzung und Hervorhebungen.

Als Bismarck fünf Jahre später Ministerpräsident von Preußen wurde, nutzte er das Streben der Hegelschen Intellektuellen nach politischer Relevanz, indem er viele von ihnen in die Aufgaben des deutschen Staatsaufbaus einbezog.

Viele kamen zu der Überzeugung, dass Hegels Vision einer rationalen, geordneten Gesellschaft, die eine neo-hellenische Blüte der Hochkultur hervorbringt, im neuen Deutschland, das Bismarck aufbaute, bald Wirklichkeit werden könnte. Die wichtigste „napoleonische Idee“ war die Vereinnahmung der französischen Revolutionsrhetorik durch die patriotische Presse, die Napoleon III. glänzend beherrschte.

Anfänglich reagierte Napoleon III. negativ auf die Herausforderung. Doch seine strengen Pressegesetze von 1852 wurden nach und nach gelockert. Im Jahr 1859 erließ er eine Generalamnestie für die Presse und trug sich bald mit seiner eigenen antiklerikalen, quasi-sozialistischen „L’Opinion Nationale“ in die Listen des chauvinistischen Journalismus ein.

Napoleon schuf die „nationale Meinung“, die er zu beschreiben vorgab.

Seine Kontrolle über die Presse ist so umfassend, dass sich ein Kritiker 1862 vor dem Parlament beschwert: „Es gibt nur einen Journalisten in Frankreich … den Kaiser.“ Napoleon kontrollierte nicht nur die Nachrichtenagentur „Havas“ und überschwemmte den Markt mit Slogan-Pamphleten […], sondern kaufte auch die Zeitungen der Opposition auf, optimierte das offizielle „Le Moniteur“ und fügte 1864 eine lesbare Abendausgabe hinzu.

Dieses „Petit Moniteur“ erschien in einer Auflage von 200.000 Exemplaren und wurde zu einem gedrückten Preis von sechs Centimes verkauft, womit es alle anderen Konkurrenten unterbot, die für jede Ausgabe eine Mindeststeuer von fünf Centimes entrichten mussten. Der Satiriker Maurice Joly beschrieb diese Technik in seiner „Politik des Machiavelli“ im neunzehnten Jahrhundert von 1864 als „Neutralisierung der Presse durch die Presse selbst„.

Ebda., S. 342-343

Mist. Sehen Sie, wie schnell das ging? Ich wollte diesen Beitrag eigentlich kurz halten, aber schon bin ich wieder mittendrin. Man will seine Leser ja nicht mit bloßen Sprüchen abspeisen, sondern auch etwas Substanz liefern. Ich bin schließlich kein Telegram-Shitfluencer.

Wie gesagt: Fakt ist, daß die Praxis der Vereinnahmung der Presse – die Absicht, sie selber inhaltlich zu gestalten und damit das Denken der Bevölkerung in die gewünschte Richtung zu lenken – keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts ist. Wenn ein Plutokrat wie Bill Gates also weltweit etwas über 150 (!) Zeitungen, Zeitschriften und Magazine kauft, kann er das ganz einfach deshalb tun, weil er natürlich mehr Geld hat als 99.9% der restlichen Bevölkerung (so wie die damaligen Eliten). Auf diese Weise möchte man ein enges „Informationsnetz“ knüpfen. Die Rede von einer „Matrix“ ist wirklich nicht ganz unangebracht.

Und genau dieses Prinzip wandte man auch auf die heutigen „alternativen Medien“ an.

Wenn nun also der putzige Telegram-PR-Stunt um die Verhaftung Pavel Durovs dazu führt, daß sich noch mehr Leute in diese Falle begeben, diese kontrollierte Umgebung: Tun Sie bitte überrascht. Schlecht geskripteter Film ab:

Es bedarf keiner Erwähnung mehr, daß ein Limited Hangout wie Stefan „Moses“ Magnet, Mitglied des von mir ausreichend abgehandelten Zitierkartells auf Telegram und inoffizieller Pressesprecher von AfD und FPÖ, sich darüber natürlich tierisch freut. Geliefert wie bestellt. Ziel erreicht. Der „neue Mainstream“ in der pseudo-Alternativszene erhält somit noch mehr Zulauf.

Mensch Axel, du gehst ja wieder ab. Ich verstehe ja, daß dich die ganze Dauerlügerei, die endlosen Manipulationen, die Täuschungsmanöver, die permanenten Desinformationen und die Skrupellosigkeit solcher vermeintlichen „Aufklärer“ und „Truther“ ankotzen, aber welche konstruktiven Gegenmaßnahmen würdest du denn empfehlen?

Ist das eine Scherzfrage? Nichts leichter als das. Läßt sich in zwei Worten zusammenfassen:

Telegram meiden.

Denn merke: Nicht überall, wo „alternativ“ draufsteht, ist auch alternativ drin.

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