Aristokraten haben ihren Einfluss in Großbritannien in den letzten 150 Jahren verstärkt, so eine Studie – Tony Trueman, British Sociological Association
Anmerkung meinerseits: Die offizielle, von der Mainstream-Geschichtsforschung vertretene Ansicht lautet, der Adel seit vollständig irrelevant geworden, er habe vor allem in politischer Hinsicht keinerlei Bedeutung mehr. Diese Sichtweise ist angesichts der Tatsache, wie viele Mitglieder des Hochadels auch heute noch in wichtigen Organisationen wie z.B. Denkfabriken sitzen, in denen darüber diskutiert wird oder sogar Pläne ausgearbeitet werden, welche Richtung die Welt in Zukunft nehmen sollte, durchaus anfechtbar. Dieser Artikel ist natürlich nur ein kleiner Beitrag zu dieser Frage. Weitere werden folgen, sofern ich die nötige Zeit für die alles andere als einfachen Recherchen dazu aufbringen kann, da es dazu – wie im Artikel richtig erwähnt wird – leider kaum Forschungsliteratur gibt. Daß der Adel bzw. Hochadel völlig bedeutungslos geworden sein soll, ist jedenfalls falsch. Wenn eine Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in die alternativen Medien geht (in die Sendung von Jasmin Kosubek), dort fröhlich herumposaunt, den Adel könne man doch getrost vergessen, er sei heute doch vollkommen irrelevant und bei dieser Gelegenheit auch gleich (indirekt) Werbung für einen vorgeblich alternativen Sender wie „AUF1“ macht, darf man jedenfalls die Ohren aufstellen.
Neue Untersuchungen zeigen, dass Aristokraten in den letzten 150 Jahren ihren Einfluss in der britischen Gesellschaft erhöht haben.
Der Studie zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass erbliche Adelige in einem Nachschlagewerk, das das Leben einflussreicher Personen aufzeichnet, aufgeführt werden, heute fast dreihundert Mal höher als bei Nicht-Adeligen.
Dr. Matthew Bond und Dr. Julien Morton von der London South Bank-Universität untersuchten das „Oxford Dictionary of National Biography“, das posthum Einträge zu Zehntausenden von Personen enthält, die das britische Leben maßgeblich geprägt haben.
Die Forscher erfassten die Anzahl der verstorbenen erblichen Adeligen, die in dem Nachschlagewerk aufgeführt waren, und verglichen diese mit der Gesamtzahl der verstorbenen Aristokraten. Daraus konnten sie ableiten, wie wahrscheinlich es war, dass ein Adliger in der Liste auftaucht. Sie führten eine ähnliche Berechnung für die gesamte Bevölkerung durch.
Einer von acht Aristokraten, die in den Jahren 2008-18 starben, wurde in das Referenzbuch aufgenommen, während es in der Gesamtbevölkerung einer von 2.343 war. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, in das Nachschlagewerk aufgenommen zu werden, für Aristokraten 292 Mal höher war.
Ein ähnlicher Vergleich für die Jahre 1858 bis 1867 ergab einen geringeren Unterschied von 221, was zeigt, dass der Einfluss der Aristokraten im Laufe der Jahrzehnte eher zu- als abgenommen hat, wie viele Experten behaupten.
Je höher der Rang der Aristokraten, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in dem Nachschlagewerk aufgeführt sind, wobei Herzöge mehr als doppelt so häufig in dem Nachschlagewerk erscheinen wie Barone.
Dr. Morton sagte heute [Freitag, 5. April 2024] auf der Online-Jahreskonferenz der „British Sociological Association“, dass es „unter Historikern und in der breiten Öffentlichkeit weit verbreitet ist, dass der britische Adel eine gefallene Gruppe sei, deren Reichtum, Macht und Status so stark abgenommen haben, dass sie im britischen Leben nur noch eine marginale Rolle spielt“.
Die Untersuchung zeigt jedoch, dass „der britische Adel im Vergleich zur britischen Bevölkerung einen relativen Vorteil erlangt hat“.
Das „Oxford Dictionary of National Biography“ sei ein wichtiger Indikator für den Einfluss innerhalb der britischen Gesellschaft, da Aristokraten ihre Einträge durch ihre Taten verdienten und nicht automatisch aufgenommen würden.
„Es gibt keine wirklichen Versuche von Historikern, den Status von Elitegruppen im Laufe der Zeit zu messen, und so wird die Verwendung von etwas wie dem ODNB besonders mächtig und wichtig. Für das ODNB gibt es eine höhere Eintrittsschwelle als für das Who’s Who, wo zum Beispiel Aristokraten automatisch aufgenommen werden.“
Dr. Bond sagte: „Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären? Es könnte die historische Nähe der Aristokraten zur politischen Macht sein. Es könnte sein, dass sie Verbindungen zu den Netzwerken der ‚Old Boys‘ nutzen. Es könnte sein, dass sich die Erbaristokratie nach dem frühen 20. Jahrhundert aus dem offenen Kampf mit den Kräften der Demokratie zurückgezogen und sich stattdessen auf weniger sichtbare Formen der Macht wie Reichtum und Status konzentriert hat.“
Die aktuelle Ausgabe des Wörterbuchs umfasst mehr als 60.000 Einträge. Chefredakteur ist der renommierte Historiker Professor Sir David Cannadine, der mit über 50 Fachredakteuren und mehr als 400 externen Beratern zusammenarbeitet. Es wird von der Oxford University Press herausgegeben.
Da verstorbene Aristokraten in der Regel älter als 35 Jahre waren, verwendeten die Forscher die Gesamtzahl der Todesfälle von Personen im Alter von 35 Jahren und älter für ihre Berechnungen, um den verzerrenden Effekt der großen Zahl von Kindertodesfällen im 19. Jahrhundert zu vermeiden. Die Forscher ließen auch Adelige unberücksichtigt, die als erste in ihrer Linie in das ODNB aufgenommen wurden, weil sie ihre Titel wahrscheinlich als Belohnung für Leistungen erhielten, bevor sie Mitglied des erblichen Adels wurden, und daher nicht von den Vorteilen des Titels profitieren konnten.
Die absoluten Zahlen für die beiden untersuchten Jahrzehnte lauten:
Anzahl der in den Jahren 1858-1867 verstorbenen Aristokraten – 149
Anzahl der Aristokraten, die in den Jahren 1858-1867 im ODNB verzeichnet waren – 31
Anzahl aller Briten ab 35 Jahren, die in den Jahren 1858-1867 starben – 2.118.804 (ungefähr)
Anzahl aller Briten, die in den Jahren 1858-1867 im ODNB verzeichnet waren – 1992
Anzahl der im Zeitraum 2008-2018 verstorbenen Aristokraten – 224
Anzahl der Aristokraten, die im Zeitraum 2008-2018 in der ODNB verzeichnet waren – 28
Anzahl aller Briten im Alter von 35+, die im Zeitraum 2008-2018 gestorben sind – 6.099.029 (annähernd)
Anzahl aller Briten, die im Zeitraum 2008-2018 in der ODNB verzeichnet waren – 2.603