Juli 3, 2024

Die Abmahnindustrie gehört zerschlagen. Es handelt sich um Verstöße gegen den Rechtsgrundsatz der „Verhältnismäßigkeit“.

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Hallo, ihr Lieben. Wie die Rubrizierung dieses Beitrags bereits verrät, handelt es sich um eine Wortmeldung in eigener Sache.

Ich erhielt vorgestern einen seitenlangen Abmahnbrief mit einer exorbitant hohen Geldforderung. Keine Sorge: Es geht mir hier nicht darum, um „Spenden“ zu betteln, um diese Kosten begleichen zu können. Da könnt ihr also ganz beruhigt sein. Mal ganz zu schweigen davon, das ich diesen Brief und die Forderung schon aus persönlichen finanziellen Gründen ohnehin werde anfechten müssen, da ich mir die im Schreiben genannte Summe gar nicht leisten kann. Da habe ich gar keine andere Wahl.

Es geht mir hier um etwas Anderes. Ich bin nicht naiv. Und es ist mir selbstverständlich vollauf bewußt, daß es mittlerweile eine regelrechte Abmahnindustrie gibt, die genau damit Geld „verdient“: Im Internet auch noch nach den kleinsten tatsächlichen oder angeblichen Rechtsverstößen zu suchen wie Wühlmäuse und dann natürlich sofort einen fetten Brief mit nicht weniger fetten Geldforderungen zu verschicken.

Sollte euch (meinen Bloggerkollegen) in Zukunft dasselbe passieren: Macht bloß nicht den Fehler, deshalb gleich in Panik zu geraten, überemotional, gar hysterisch zu reagieren und aus „dem Bauch heraus“ zu antworten. Die Gefahr ist groß, daß ihr genau deshalb irgendwelche Fehler macht, die von Anwaltsseite natürlich ohne mit der Wimper zu zucken ausgeschlachtet werden, um euch erst recht „dranzunehmen“. Übrigens: Das ist in manchen Fällen auch genau so gewollt.

Was meinen konkreten Fall betrifft, so war ich – laut geltender Rechtslage – insofern „schuld“, als daß ich mich vorher hätte kundig machen müssen über die konkrete Verwertungslage des betreffenden Bildes. Der „Streitgegenstand“, wie es in der Fachsprache heißt, um den es geht, war ein Bild in einem Artikel über mögliche Impfschäden bei Schwangeren.

Ich hätte mich – wie gesagt, laut geltenden Rechts – informieren müssen. In solchen Fällen genügt es nicht, davon auszugehen, das Bild sei nur deshalb, weil es in einem anderen Artikel verwendet wurde, bezüglich seiner Rechtssituation bereits abgeklärt (ich hatte einen Artikel von Karen Hunt ins Deutsche übersetzt, der zuerst auf der englischen Seite „OffGuardian“ erschien. Er enthielt das besagte Bild).

Dummerweise bin ich aufgrund dieser Tatsache – daß dieses Bild bereits in einem Artikel verwendet wurde und weil die Bildagentur, die es rechtlich verwertet, im Bild selber namentlich genannt wird – davon ausgegangen, es handele sich bei dieser eingebetteten Nennung bereits um einen ausreichenden „Urhebervermerk“. Laut deutscher Rechtslage ist dies aber wohl nicht der Fall. Um es nochmal zu wiederholen: Das ist natürlich keine Entschuldigung. Ich war zu diesem Zeitpunkt voll im Streß und bin von einer falschen Annahme ausgegangen, die ich hätte überprüfen müssen.

Das ändert andererseits aber auch nichts daran, daß der Rechteinhaber des betreffenden Bildes – er hatte ja ohnehin schon meine Webseite besucht, stieß auf dieses Bild und machte einen Screenshot von meinem „Vergehen“ – bei dieser Gelegenheit auch mal auf die Idee hätte kommen können, mich über die im Impressum genannte Kontakt-Mailadresse zunächst mal auf privatem Wege anzuschreiben, mich darauf hinzuweisen und mich darum zu bitten, das Bild sofort zu entfernen. Zum Beispiel:

„Ich bin gerade auf Ihrer Webseite auf ein Bild gestoßen, an dem ich die Urheberrechte habe. Falls Sie nicht die entsprechenden Verwertungsrechte daran erworben haben, muß ich Sie darum bitten, das Bild sofort zu entfernen. Andernfalls werde ich umgehend rechtliche Schritte einleiten“.

Auf diesem Wege hätte das Problem einfach, unbürokratisch und ohne Arbeits- und Kostenaufwand gelöst werden können.

Warum ich das erwähnt habe und zum Vergleich: Vor ca. zwei Jahren (wenn ich mich recht entsinne) hatte ich einen anderen Artikel vom OffGuardian übersetzt und online gestellt. Es handelte sich um einen Auszug aus Torsten Engelbrechts Buch „Viruswahn“. Einen Tag später schrieb mich Herr Engelbrecht per Mail an und bat mich, diesen Text offline zu nehmen. Er nannte keine Gründe, aber das muß er auch nicht. Als Urheber des Textes ist es sein gutes Recht, aus welchen Gründen auch immer die Veröffentlichung auf anderen Portalen zu untersagen – das muß ich respektieren. Ich kam seiner Bitte selbstverständlich sofort nach und nahm den Artikel offline. Wo liegt das Problem?

Genau dieselbe Möglichkeit hätte auch der Rechteinhaber des Bildes gehabt, dessentwegen ich mich nun mit einem Rechtsstreit herumplagen darf. Als hätte ich nicht schon genug Arbeit.

Auch wenn ich in juristischer Hinsicht Laie bin: Ein solches Vorgehen ist meiner Ansicht nach ganz einfach unverhältnismäßig bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird nicht gewahrt. Es steht in keiner Relation zu dem angeblich entstandenen „wirtschaftlichen Schaden“, dessen Höhe übrigens ebenfalls nur sehr schwer zu ermitteln ist und vor allem: Auf Basis welcher Kriterien? Wie sieht die „Bemessungsgrundlage“ dieser „Schadensschätzung“ aus? Wie will man das überhaupt genauer ermitteln? Weil das Bild für eine bestimmte Zeit auf einer Webseite zu sehen war? Und weiter? Wie berechnet man daraus irgendwelche „Kosten“, die dann als „Entschädigung“ gezahlt werden sollen?

Und vor allem: Warum gleich die ganz grobe Kelle zücken, statt erstmal – wie bereits erwähnt – auf dem Wege privater Kommunikation um möglichst streßfreie, einfache Klärung bemühen? Sollte das nicht klappen, kann man ja immer noch Rechtsmittel ergreifen. Ich habe schließlich nicht mit böswilligem Vorsatz gehandelt. Es war nicht meine Absicht, irgendjemandes Verwertungsrechte grob zu verletzen.

Die bestehende Rechtssprechung jedoch scheint diesen wichtigen Faktor übersehen zu haben und verabschiedete urheberrechtliche Regelungen, die genau solche unverhältnismäßigen Vorgehensweisen auch noch fördern. Damit hat sie – eine Tatsache – die Entstehung einer Abmahnindustrie ermöglicht, die nicht ganz umsonst nicht gerade auf viel Gegenliebe stößt und die übrigens – dies nur am Rande – selbst von vielen Fachjuristen in Zweifel gezogen wird. Ich habe mich natürlich kundig gemacht und stieß dabei auf Webseiten renommierter Anwälte bzw. Kanzleien, die einem diesbezüglich Hilfe anbieten und auch offen schreiben, daß das Abmahngeschäft kritisch gesehen werden sollte – auch wegen so mancher „Gummiparagraphen“ bzw. unklarer, schwammiger Rechtslagen und -definitionen innerhalb des Urheberrechts. Dies ging in den letzten Jahren auch regelmäßig durch die Presse.

Ich unterstelle dem Rechteinhaber des Bildes nichts. Ich bin aber auch nicht naiv genug, um nicht zu wissen, daß es Menschen gibt, die eben erläuterte Rechtslage natürlich schamlos ausnutzen in der Hoffnung, damit ordentlich Geld machen zu können. Statt also erstmal über eine private Kommunikation eine Klärung zu versuchen, wird dann gleich zu einem Anwalt gerannt, der sich selbstverständlich die Hände reibt und einen ellenlangen „Drohbrief“ verschickt nach dem Motto „Zahlen Sie möglichst schnell astronomische Summen, sonst!“. Eine sehr einträgliche Geldquelle, keine Frage.

Es gibt mittlerweile sogar Abmahnanwälte, die tatsächlich – kein Witz – ein ganzes Team (!) an „Online-Detektiven“ beschäftigen, die den ganzen lieben langen Tag nichts anderes tun, als das Internet nach jedem noch so kleinen Rechtsverstoß zu durchforsten, um dann sofort aus allen Rohren Abmahnbriefe wie aus einer Stalinorgel abfeuern zu können.

Deshalb bin ich der Meinung: Die Abmahnindustrie gehört zerschlagen.

Die Wahrnehmung von Urheberrechten ist in Ordnung. Ich bin selber im kreativen Bereich tätig und beliefere eine Firma in regelmäßigen Abständen mit Musikstücken, die von dieser Firma rechteverwertet werden – über Lizenzen. Jemand kann also eines meiner Musikstücke für einen bestimmten Lizenzbetrag und/oder einen bestimmten Zeitraum quasi „mieten“.

Würde mir ein Rechtsverstoß mitgeteilt, daß also irgendjemand einen meiner Tracks im Rahmen des bestehenden Urheberrechts widerrechtlich verwendet hat – würde ich dann sofort zu einem Anwalt rennen? Nope. Ich würde erstmal prüfen, welche Situation genau vorliegt. Vielleicht war es ja nur ein Versehen, Unachtsamkeit, was auch immer. Und in solchen Fällen würde ich gewiß nicht gleich auf die Kacke hauen. Wie gesagt: Einfach mal die Verhältnismäßigkeit wahren.

Neulich habe ich nach einem geeigneten Bild für einen übersetzten Artikel gesucht. Ich nutze für solche Zwecke fast ausnahmslos Pixabay, da die meisten der Bilder dort lizenfrei sind (worauf man natürlich achten sollte, es gibt auch Ausnahmen). Ich gab einen Suchbegriff ein und wurde schnell fündig. Direkt unter einer Reihe lizenzfreier Bilder wurde eine andere Reihe mit lizenzpflichtigen angezeigt. Zwei davon waren brauchbar. Der Rest war, pardon, Schrott. Ich saß sprachlos davor und dachte: „What the fuck? Für SOWAS will jemand Geld? Ist das ein Witz?“.

Im Prinzip kann heute jeder „im Vorbeigehen“ irgendwelche Bildchen knipsen, die dann bei einer Bildagentur schützen und lizenzrechtlich verwerten lassen. Wenn das so weitergeht, ist bald jede auf der Straße herumliegende, abfotografierte Apfelkitsche „urheberrechtlich geschützt“. Irgendwann kann man dann kaum noch etwas verwenden, ohne dafür nicht „mit dem Gesetz in Konflikt“ zu geraten.

Sie lachen jetzt wahrscheinlich. Aber das war kein Witz. Der Gesetzgeber hat es tatsächlich so geregelt, daß selbst Bilder, die „von durchschnittlicher oder gar unterdurchschnittlicher Qualität“ sind, „urheberrechtlich geschützt“ werden können.

Geil. Warten Sie mal ’ne Sekunde. Ich gehe mal eben ins Bad, mache ein unterbelichtetes, grobpixeliges Foto von meinem nackten Arsch und lasse das dann „schützen“, ätsch. Und wehe, Sie verwenden es unrechtmäßig! Na Hallermarsch! Dann geh ich sofort zum Anwalt und mahne Sie ab. Bitte zahlen Sie sofort 1.500 Euro und 70 Cent, sonst knallt’s. Es ist nunmal mein Arsch.

Diese Praxis ist grotesk.

Das mußte mal raus.

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