April 25, 2024

Kinder aus Gameten-ähnlichen Zellen: Wie man eine eugenische Zukunft auftischt – Prof. Stuart Newman, Tina Stevens

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Im Labor gezüchtete Menschen aus künstlichen Eizellen und Spermien.

Quelle: Children from Gamete-like Cells: Dishing up a Eugenic Future – Independent Science News | Food, Health and Agriculture Bioscience News

Die Forschung zur Herstellung von ei- und spermienähnlichen Zellen für die Erzeugung von im Labor gezeugten menschlichen Kindern schreitet rasch voran. Ziel ist es, gewöhnliche Körperzellen künftiger Eltern in künstliche Ei- und Samenzellen zu verwandeln. Obwohl sie angeblich entwickelt wurden, um die Fortpflanzung bei Personen zu erleichtern, bei denen diese Fähigkeit beeinträchtigt ist oder nicht zur Verfügung steht, stellt die Verwendung von im Labor hergestellten Ei- und Samenzellen eine Möglichkeit für die routinemäßige Herstellung und Vermarktung von „Designer-Babys“[1] dar, d. h. von Individuen, deren Erbsubstanz technologisch verändert wurde, um ein oder mehrere bestimmte Ziele zu erreichen.

Forscher bezeichnen die Erzeugung von Ei- und Samenzellen (Gameten) im Labor als In-vitro-Gametogenese oder IVG. Der experimentelle Prozess beginnt mit „somatischen“ oder Körperzellen, z. B. aus dem Blut oder der Haut eines Erwachsenen. Diese Zellen sind nicht diejenigen, die sich während der Embryonalentwicklung zur Produktion von Geschlechtszellen entwickelt haben. Die somatischen Zellen werden mit zusätzlicher DNA oder RNA verändert, oder sie werden Proteinen oder Medikamenten ausgesetzt, wodurch einige von ihnen zu induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) werden. Die iPSC werden anschließend anderen Biomolekülen oder Medikamenten ausgesetzt, um sie in Zellen umzuwandeln, die den spezialisierten Zellen des Körpers, wie Eiern oder Spermien, ähneln. Molekulare Tests von künstlich differenzierten Zellen zeigen immer, dass sie nicht mit ihren natürlichen Gegenstücken identisch sind (siehe auch unten)[2].

Befürworter behaupten, dass die IVG es medizinisch unfruchtbaren Menschen ermöglichen würde, biologisch verwandte Kinder zu bekommen, ohne echte Eizellen oder Spermien von einem Spender zu benötigen. Die Befürworter des klinischen Einsatzes der Technologie argumentieren außerdem, dass sie Menschen helfen wird, biologisch verwandte Kinder zu bekommen, die zwar nicht medizinisch unfruchtbar sind, aber als „sozial“ unfruchtbar gelten könnten. Zu dieser Kategorie gehören gleichgeschlechtliche Paare oder Homosexuelle sowie Menschen, die das Alter für eine lebensfähige medizinische Fortpflanzung überschritten haben.[3] Die Technologie würde es auch einer fruchtbaren Person, die alleinerziehender Vater eines biologisch verwandten Kindes werden möchte, ermöglichen, dies ohne Gameten (Ei- oder Samenzellen) zu tun, die von einer identifizierbaren zweiten Person gespendet wurden (Solo IVG).

Wenn die Technologie funktioniert, wird es auch möglich sein, einem „Ein-Elternteil“ bei der Fortpflanzung zu helfen, d. h. einer Person, von der sowohl synthetische Eizellen als auch Spermien stammen. Es gibt auch Möglichkeiten zur Unterstützung der „Multiplex-Elternschaft“, bei der mehr als zwei Personen eine genetische Verbindung zu einem einzigen Kind haben wollen[4]. Für alle diese Kategorien gilt, dass genetisch verwandte Kinder gegenüber adoptierten Kindern bevorzugt werden.

Sollte die Technologie ihren Weg in die Fruchtbarkeitskliniken finden, könnte sie die Zahl der erforderlichen Gameten-Spender verringern, aber sie wird wahrscheinlich den Bedarf an Frauen, die als Leihmutter dienen, beträchtlich erhöhen, insbesondere für gleichgeschlechtliche Männer, die sich genetisch fortpflanzen wollen. Es sei denn, die Schaffung künstlicher Gebärmütter, an der derzeit aktiv geforscht wird, wird Realität.[5] Die Befürworter der IVG, die die mit der Eizellentnahme verbundenen gesundheitlichen Risiken und Unannehmlichkeiten anerkennen, zählen die erwartete geringere Nachfrage nach weiblichen Eizellen als Vorteil. Sie übersehen jedoch, dass die Fruchtbarkeitsindustrie jahrzehntelang Forderungen ignoriert hat, Gesundheitswarnungen auf Anzeigen anzubringen, in denen junge Frauen als Eizellenspenderinnen gesucht werden, und die langfristigen Gesundheitsrisiken für Eizellenspenderinnen zu untersuchen, indem ein nationales Gesundheitsregister eingerichtet wird.[6] Dies lässt nichts Gutes erahnen, wenn es um die Frage geht, wie die steigende Zahl von Leihmüttern angegangen werden soll, insbesondere in verarmten und patriarchalischen Ländern, in denen zwanghafte paternalistische Strukturen der Fähigkeit von Frauen entgegenwirken, freiwillig in die Tätigkeit als Leihmutter einzuwilligen.

Vom 19. bis 21. April 2023 veranstalteten die Nationalen Akademien der Wissenschaften der USA (NAS) einen dreitägigen Workshop mit dem Titel “In Vitro Derived Human Gametes as Reproductive Technology: Scientific, Ethical, and Regulatory Implications: A Workshop”[7] [In-vitro-abgeleitete menschliche Gameten als Fortpflanzungstechnologie: Wissenschaftliche, ethische und regulatorische Implikationen: Ein Workshop, Anm. d. Übersetzers]. Im Folgenden möchten wir eine Kritik an diesem NAS-Workshop vorbringen[8].

Wir stellen erstens fest, dass auf dem Workshop keine nachhaltige Diskussion darüber geführt wurde, ob die klinische Anwendung dieser exotischen Technologie erlaubt werden sollte. Stattdessen wurde bei der Veranstaltung unhinterfragt davon ausgegangen, dass die Technologie zur klinischen Anwendung gelangen würde. Zwar äußerten einige der geladenen Teilnehmer Bedenken hinsichtlich der Weiterentwicklung dieser Technologie, doch niemand stellte den Einsatz der Gametogenese in Fertilitätskliniken energisch in Frage. Möglicherweise gab es einige Debatten in separaten Sitzungen, deren Ergebnisse jedoch nicht öffentlich zugänglich waren. In den Plenarsitzungen sprach sich jedoch niemand in nennenswerter Weise gegen die Idee aus, dass es kommerziellen Labors erlaubt sein sollte, synthetische Embryonen zur Einpflanzung und eventuellen Geburt herzustellen. Unsere Analyse der Workshop-Beratungen deutet darauf hin, dass aufgrund der Struktur und des thematischen Rahmens Vorbehalte gegen IVG zwar geäußert wurden, aber nicht zur Debatte standen. Ausgehend vom Stand der Wissenschaft und dem Fehlen eines dringenden gesundheitlichen Bedarfs kommen wir zu dem Schluss, dass IVG zu Reproduktionszwecken entschieden abgelehnt werden sollte.

Bedenken beseite wischen und die Agenda festlegen

Durch die Gestaltung der Tagesordnung des Workshops und die Kennzeichnung der Unterabschnitte wurde die Frage, ob synthetische Gameten zur Erzeugung funktionell gleichwertiger menschlicher Embryonen für die Einpflanzung verwendet werden sollten, nicht erörtert.[9] Der Reproduktionswissenschaftler Hugh Taylor von der Universität Yale zeigte sich schon früh beeindruckt von der raschen Entwicklung auf diesem Gebiet und zeigte sich zuversichtlich, dass es nicht eine Frage des „ob“, sondern des „wann“ sei, wann diese Technologie für die klinische Praxis verfügbar sein würde. Er spekulierte, dass die Verfügbarkeit von Dutzenden, Hunderten oder sogar Tausenden von Embryonen die Möglichkeiten für eine Ausweitung des Embryoscreenings erhöhen würde. Die Tatsache, dass die Erzeugung einer großen Anzahl von Embryonen die Selektion auf „erwünschte“ Merkmale ermöglicht, wurde zwar als problematisch angesehen, dämpfte aber nicht den Enthusiasmus für die Weiterentwicklung der Technologie.[10] Die Befürworter der Technologie müssen erfreut gewesen sein, als Peter Marks, Direktor des „Center for Biologics Evaluation and Research“ der „Food and Drug Administration“ (FDA), ihnen den Rat gab, den seine Mitarbeiter den Gesetzgebern gerne geben: „Sie werden den Geist nicht zurück in die Flasche stecken können. Er wird sich weiterentwickeln, ob hier in den USA oder anderswo. Wenn wir uns nicht darauf einlassen … dann sind wir einfach nicht in der Lage, eine Führungsrolle zu übernehmen, um sicherzustellen, dass es richtig gemacht wird.“ Niemand erwiderte, dass die USA alternativ die Führung übernehmen könnten, um ihren Fortschritt einzuschränken und ein globales Gerangel um die ethischen Grundlagen abzuwenden. Als der Workshop zu Ende ging, hatte der Stanford-Rechtsprofessor und Bioethiker Hank Greely nichts gehört, was ihn von seiner optimistischen Ansicht abbringen konnte, dass es nur eine Frage der Zeit sei, „wann das Ganze schließlich verabschiedet wird“.

Die gedruckten Ziele der Agenda für die soziale, ethische und rechtliche Betrachtung der IVG und für die Einbindung der Öffentlichkeit kanalisierten die Kritik in Kategorien, die davon ausgingen, dass Fruchtbarkeitskliniken irgendwann IVG anbieten würden. Zu den operativen Konzepten gehörten die Vorstellung von Wegen zu klinischen Versuchen, die Erleichterung des Umgangs mit der Technologie, die Identifizierung von Herausforderungen bei der Sicherstellung eines gleichberechtigten Patientenzugangs, die Identifizierung von „Interessengruppen“ und die Hervorhebung bewährter Verfahren.

In den Diskussionen wurden Bedenken darüber geäußert, dass die IVG die Möglichkeit eugenischer Ergebnisse vergrößert und wahrscheinlich soziale Ungleichheiten verschärft, insbesondere im globalen Süden, wo die Nachfrage nach Frauen, die als Leihmütter dienen, steigen würde. Es wurde auch darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Sicherheit der auf diese Weise geborenen Kinder zu gewährleisten. Ungeachtet all dessen vertrat niemand die Ansicht, dass die ethischen Bedenken gegen die IVG so groß wären, dass sie die Forderung nach einem Moratorium, einem Verbot oder einer Untersagung jeglicher Aspekte der IVG rechtfertigen würden. Einige Teilnehmer, die keine Wissenschaftler waren, beklagten das Fehlen eines Vortrags aus der Perspektive der Behindertenrechte, da der vorgesehene Podiumsteilnehmer aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte. Vielleicht wäre eine stärkere Berücksichtigung der eugenischen Neigungen, die der Idee der IVG innewohnen, zustande gekommen, wenn die Absage nicht erfolgt wäre.

Es wurde die Sorge geäußert, dass der „genetische Essenzialismus“ der IVG eine Abwertung der Kinder mit sich bringt, die mit Hilfe von Spender-Gameten geboren wurden. Die Dozentin an der Yale Law School, Katherine Kraschel, wies darauf hin, dass die homosexuelle Gemeinschaft kein Monolith ist. Während einige die Möglichkeit, biologisch verwandte Kinder zu bekommen, ebenso begrüßen wie ihre heterosexuellen Kollegen, könnten sich andere, die festgefahrene Wertvorstellungen in Frage stellen wollen, durch die Abwertung von Kindern, die mit Hilfe von Gametenspendern gezeugt wurden, beunruhigt fühlen.[11] Aber niemand hat nachhaltig dargelegt, wie diese Technologie, die als Vorzug für biologisch verwandte Kinder vermarktet wird, adoptierte Kinder, ob in homosexuellen oder heterosexuellen Familien, weltweit sozial abwertet. Ihr Status wurde von den Befürwortern der Gametogenese implizit als ein minderwertiger Ersatz für „das Echte“ dargestellt.

Es wird nur kurz erwähnt, aber nicht diskutiert, geschweige denn erörtert, dass Embryonenselektion in dem erwarteten Umfang Eugenik ist. Darüber hinaus werden manipulative Eingriffe zur Erzielung von Merkmalen (zusätzlich zu denen, die bereits durch die konventionelle pränatale Selektion auf den Reproduktionsmärkten angeboten werden, wie z. B. Geschlecht, Augenfarbe und mutmaßliche Lebensaussichten) angesichts der dem Unternehmen innewohnenden Kommerzialisierung unvermeidlich sein. Eugenik ist keine Möglichkeit, die vermieden werden kann. Sie ist dem Vorhaben inhärent und bereits im Gange.[12]

Interessenkonflikte

In den Biografien der Vortragenden wurden die akademischen Zugehörigkeiten und die solche zu wissenschaftlichen Institutionen oder wissenschaftlichen Gesellschaften aufgeführt. Es wurden jedoch keine Biounternehmen genannt, die die Wissenschaftler entweder gegründet haben oder mit denen sie verbunden sind. Auch in den biografischen Zusammenfassungen der Referenten aus dem Bereich Recht und Bioethik, von denen einige eindeutig die Einführung der Technologie in die klinische Anwendung unterstützen, wurden keine Verbindungen zu namentlich genannten kommerziellen Biolabors aufgeführt. Sobald der Workshop im Gange war, legten einige Referenten ihre Verbindungen zu Unternehmen oder ihre Finanzierungsquellen offen.[13] Wie diese eine neutrale Analyse der Technologie beeinträchtigen könnten, wurde ebenfalls nicht diskutiert. Ein Geldgeber des Workshops selbst war auch ein Geldgeber der laufenden IVG-Forschung.[14] Es wurde nicht bewertet, wie diejenigen, die von der Normalisierung kommerziell hergestellter gametischer Zellen üppig profitieren, als vermeintliche Quellen einer ausgewogenen sozialen und ethischen Analyse der Technologie beeinträchtigt werden könnten. Es wurde nicht anerkannt, dass Kliniker als Teil einer Multi-Milliarden-Dollar-IVF-Industrie agieren, die ein massives globales, gewinnorientiertes Unternehmen darstellt. „Fortune Business Insights“, das Marktstudien über globale Unternehmen durchführt, berichtet, dass der Weltmarkt für In-vitro-Fertilisation bis 2026 schätzungsweise 36,39 Mrd. USD erreichen wird.[15] Die „American Society for Reproductive Medicine“ (ASRM), eine selbsternannte Fachgesellschaft, verfügt über eine mächtige und operative Lobby. Einer der Workshop-Teilnehmer war ihr designierter Präsident. Ein anderer, ebenfalls Mitglied des Planungsausschusses, war ein ehemaliger Präsident der ASRM. Eine ausgewogene Analyse der IVG könnte ihre Standpunkte und Beiträge einbeziehen. Aber die Tatsache, dass der Einfluss solcher Verbindungen auf den Rahmen, die Struktur und die vorgeschlagenen Strategien der Konferenz nicht explizit erörtert wurde, lässt vermuten, dass die Offenlegung eines Interessenkonflikts von der NAS als „magische“ Neutralisierung der Auswirkungen seines Besitzes angesehen wird. Es schien keine Option zu sein, irgendwelche gegenteiligen Bedenken zu äußern.

Regulierer oder Hebammen?

Während das Format des Workshops die kritische Diskussion einschränkte, gab es reichlich Raum für Überlegungen, ob und wie IVG angesichts der gegenwärtigen regulatorischen Landschaft in die sozio-rechtliche Akzeptanz und den klinischen Einsatz geführt werden könnte. Dies wirft die Frage auf, was die Rolle und die gesellschaftliche Funktion der „National Academy of Sciences, Engineering and Medicine“ (NAS) ausmacht: Soll sie als Fürsprecherin einer umstrittenen Technologie fungieren? Die selbst beschriebene Daseinsberechtigung der NAS besteht darin, „unabhängige, objektive Ratschläge zu erteilen, um die Politik auf der Grundlage von Fakten zu informieren, Fortschritt und Innovation voranzutreiben und herausfordernde Themen zum Nutzen der Gesellschaft anzugehen.“[16] Der Workshop über IVG war jedoch weniger eine unabhängige, objektive Betrachtung der wissenschaftlichen, regulatorischen und ethischen Implikationen der reproduktiven Nutzung der Gametogenese als vielmehr eine Gelegenheit zum Brainstorming, um darüber nachzudenken, was nötig wäre, um IVG zu einem rechtlich akzeptierten, gesellschaftlich normalisierten Bestandteil der klinischen Praxis zu machen.

Die Wissenschaftler fassten ihre Forschung zusammen und erläuterten, wie sie lernen, aus Stammzellen Gameten (eigentlich Gameten-ähnliche Zellen) zu erzeugen und reifen zu lassen, und sie berichteten über die Grenzen, auf die sie angesichts wissenschaftlicher, ethischer und regulatorischer Zwänge gestoßen sind. Daraufhin gaben die Bioethiker energisch Ratschläge, wie man die Hindernisse überwinden kann. Dazu gehörten auch Spekulationen darüber, wie man die Vorschriften umgehen und eine FDA-Zulassung erhalten könnte, indem man die Begriffe neu definiert und die Erzeugung von IVG-Embryonen möglicherweise so einordnet, dass es sich nicht um Ei- und Samenzellen an sich handelt, sondern um „hergestellte Produkte“.

Der Harvard-Rechtsprofessor und Bioethiker Glenn Cohen hat die Wissenschaftler gefragt, welche Fragen sie beantworten müssen, um „ihre Experimente aus der Warteschleife zu holen.“ Alta Charo ist emeritierte Professorin für Recht und Bioethik an der Universität von Wisconsin. Nachdem sie mehrere Interessenkonflikte offengelegt hatte (u. a. als bezahlte Beraterin von „Conception Bioscience“, dessen CEO ebenfalls an dem Workshop teilnahm), analysierte sie in ihrem Vortrag und in der anschließenden Diskussion das Dickey-Wicker-Amendment und einen Haushaltszusatz aus dem Jahr 2016, der die Bundesfinanzierung von „Forschung, bei der ein menschlicher Embryo absichtlich erzeugt oder so verändert wird, dass er eine vererbbare genetische Veränderung aufweist“[17], verbietet. Die Formulierung, so Charo, ist für mehrere Interpretationen anfällig. Die ursprüngliche Motivation hinter der Formulierung würde jedoch eine großzügige Auslegung ausschließen: „Man könnte mit der jetzigen Formulierung durchkommen, man könnte eine Interpretation haben, die einem die Freiheit gibt, aber ich würde sagen, dass es eine ausgezeichnete Chance gibt, dass auf der Ebene der Bundesstaaten und des Bundes jemand auf die Idee kommt und etwas anderes verabschiedet, das klarstellt, dass auch dies nicht erlaubt ist.“

Matt Krisiloff, CEO und Mitbegründer von „Conception Bioscience“ (und Patentanmelder), meinte, man könne argumentieren, dass die Gametogenese weniger manipulativ sei als andere Technologien, und fügte später hinzu, dass es möglich sein könnte, sie als Therapie zu bezeichnen und damit Verbote zu umgehen.

Peter Marks, Direktor des „Center for Biologics Evaluation and Research“ der FDA, beantwortete die Frage, ob IVG-Embryonen als handelsübliche biologische Produkte reguliert werden könnten. Würde die 12-jährige Exklusivitätsfrist gelten? Oder würde es sich eher um ein Produkt aus menschlichen Zellen/Gewebe handeln? Marks antwortete: „Man würde es gerne als Zell- oder Gewebeprodukt bezeichnen, aber angesichts der Art und Weise, wie es hergestellt wird, ist es mehr manipuliert als das … Der Grund, warum ich meine Arbeit so liebe, ist, dass man wahrscheinlich einen anderen Weg finden oder einen anderen Weg anpassen müsste, damit die Dinge hier funktionieren. Die Vorstellung, dass ein menschlicher Embryo eine 12-jährige Exklusivität hat, ist völlig abwegig. Aber wir haben schon Schlimmeres erlebt … Ich hätte nie gedacht, dass wir einmal den menschlichen Stuhlgang regulieren würden, und das tue ich jetzt gerade. Wir werden also einen Weg finden, uns anzupassen. Natürlich müssen wir dabei humanistisch vorgehen, denn schließlich wollen wir nicht, dass diese Kinder … wir wollen nicht, dass jemand aufwächst und das Gefühl hat, dass er … finden Sie einen schönen Namen für ein neues Produkt – dass er genau das war. Wir wollen einen Weg finden, um das Ganze zu vermenschlichen.“ Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, sich darüber aufzuregen, wie man nicht existierende künftige Kinder entmenschlichen kann, während man die gegenwärtige Abwertung, wenn nicht gar Entmenschlichung von Menschen mit Behinderungen, Adoptivkindern, Menschen, die mit Hilfe von Gametenspendern geboren wurden, und Kindern bestimmter ethnischer Gruppen ignoriert, die aufgrund ihres überproportionalen Anteils an den Armen nicht an den Reproduktionstechnologien teilnehmen.

Niemand hat in Frage gestellt, warum es angemessen sein soll, dass ein Vertreter der FDA die IVG-Befürworter darüber berät, was in Bezug auf die Definition der Terminologie erforderlich ist, damit sie zugelassen wird, bevor die Öffentlichkeit darüber nachdenkt, ob sie überhaupt zugelassen werden soll. Ganz im Gegenteil, der Bioethiker Hank Greely riet Marks, über Möglichkeiten zur Beschleunigung des Zulassungsverfahrens nachzudenken.

Jeffrey Kahn, Bioethiker an der Johns Hopkins Universität, riet, dass die Befürworter bei den Gesetzgebern mehr Gehör finden könnten, wenn sie über die Frage der Wettbewerbsführerschaft sprechen. Peter Marks stimmte dem zu: Wenn man darüber spricht, dass fortschrittliche Technologie unsere Küsten verlässt, werden einige Leute „wachgerüttelt“.

Gegen Ende des Workshops gab der UCLA-Stammzellenbiologe Amander Clark zu, dass,

„Es [mich] sehr nervös [macht], wenn ich mir einen [menschlichen] Embryo als ein hergestelltes Produkt vorstelle“. Aber diese Bemerkung folgte unmittelbar auf ihre zustimmende Erwartung, dass „… wir eine Keimzelle herstellen werden, die dann zur Erzeugung eines Embryos verwendet wird“. Die kognitive Dissonanz ist frappierend. Wie kann ein Gebilde, das in einem Labor aus hergestellten Gameten gebildet wird, nicht selbst ein hergestelltes Produkt sein? Wie dem auch sei, die Befürworter der IVG begeben sich mit ihrer terminologischen Gymnastik auf wackligen Boden. Einerseits lässt sich die im Labor hergestellte Entität leichter an potenzielle Eltern verkaufen, die ihr Kind nicht mit dem Stigma eines Produkts belasten wollen; andererseits könnte die Erklärung der Entität als Produkt wohl verhindern, dass das für Embryonen geltende Verbot der Bundesfinanzierung in Kraft tritt (siehe oben und Fußnote 17).

Der NAS-Workshop hat einen weiteren wichtigen terminologischen Aspekt übersehen: Die Wissenschaftler-Unternehmer stellen keine echten Gameten her, sondern „gametenähnliche“ Zellen. Die Verwalter und Bioethiker auf der NAS-Tagung stimmten mit den Geschäftsprinzipien der Wissenschaftler-Unternehmer überein, indem sie die IVGs als Gameten bezeichneten, d. h. als Eizellen und Spermien. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die IVG-Forschung Teil eines größeren wissenschaftlichen Forschungsprogramms ist, das sich der Gewinnung von Zellen aller Art aus im Labor hergestellten „induzierten pluripotenten Stammzellen“ (iPSC) widmet. Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet arbeiten, sowohl außerhalb als auch innerhalb des Reproduktionskontextes, räumen immer wieder ein, dass differenzierte Zellen, die aus IPSCs gewonnen werden, den echten Zellen nur ähneln. Sie sind in genetisch messbaren Aspekten unzureichend. Ein Großteil der IPSC-Forschung ist darauf ausgerichtet, die Genexpressionsprofile der Versuchsprodukte mit den Zelltypen in vivo[18] in Einklang zu bringen. Nach diesem Kriterium sind die gentechnisch veränderten Zellen, aus denen IVGs hervorgehen, „keimzellenähnliche Zellen“, aber keine echten Keimzellen. [19]

Die Akzeptanz dieses Verfahrens durch die Kunden (potenzielle Eltern) wird davon abhängen, dass ihnen vorgegaukelt wird, dass es keinen Unterschied zwischen keimzellenähnlichen Zellen und echten Keimzellen gäbe. Es ist möglich, dass es keine Möglichkeit gibt, mit diesen Methoden völlig normale Keimzellen zu erzeugen. Es gibt eine Reihe von Variationen bei normalen Gameten, und bei IVGs wird es eine andere Reihe geben. Es wird Überschneidungen geben, aber wenn es um Hunderte von exprimierten Genen geht (was wahrscheinlich der Fall sein wird), kann Normalität nicht streng definiert werden. Die Kriterien, nach denen etwas als Ei- oder Samenzelle bezeichnet wird, sind wahrscheinlich willkürlich und nicht rigoros.

Widerstand gegen im Labor hergestellte Menschen

Der zwingendste Grund, die reproduktive Gametogenese voranzutreiben, so Hank Greely, ist, dass diejenigen, die sich ein biologisches Kind wünschen, es aber nicht bekommen können, leiden; weil sie leiden, verdienen sie es, dass ihnen geholfen wird. Der einzige gute Grund, die Entwicklung nicht voranzutreiben, sei das Fehlen von Sicherheitsgarantien. Seine Argumentation blieb auf dem Workshop unwidersprochen: Alle anderen ethischen Bedenken, die auf der Konferenz vorgebracht wurden, wurden nicht als Rechtfertigung für die Einschränkung der Technologie akzeptiert.

Natürlich gibt es gute Gründe, sich um die Sicherheit zu sorgen. Ab wann kann ein Kind, das aus einem synthetischen Embryo entsteht, als sicher vor unbeabsichtigten Folgen angesehen werden? Die Definition, die Gesundheit und die Eignung echter Keimzellen für die Fortpflanzung hängen von Hunderttausenden von Faktoren ab, deren koordinierte Funktion im Laufe von Millionen von Jahren der Evolution verfeinert worden ist. Es gibt keine Möglichkeit, erschöpfend zu prüfen, ob eine IVG-Zelle, die im Labor aus einer somatischen Zelle hergestellt wurde, diese Kriterien erfüllt. Sie können zwar bei der Befruchtung verwendet werden und möglicherweise etwas hervorbringen, das wie ein normaler Embryo aussieht, aber wie lässt sich bestätigen, dass er keine verfahrensbedingten Anomalien aufweist? Was sind die Kriterien für die Bestimmung der Sicherheit? Über wie viele Generationen?

Die Konferenzteilnehmer erkannten die Schwierigkeiten bei der Verfolgung dieser Experimente am Menschen, d. h. an Kindern, die durch IVG geboren wurden. Die Eltern könnten ihr Einverständnis geben, das Schicksal ihrer eigenen Kinder zu verfolgen. Aber irgendwann müssten die Kinder selbst ihre Zustimmung geben. Und was ist mit den Kindern dieser Kinder? Wie viele Generationen müssen verfolgt werden, bevor IVG als sicher angesehen werden kann? Ist eine generationenübergreifende Zustimmung möglich? Wenn solche Experimente am Menschen scheitern und bei den Kindern später Entwicklungsanomalien oder Beeinträchtigungen festgestellt werden, wer wäre dann in der Produktionskette haftbar? Ist das Programm ethisch vertretbar, wenn die Experimente nicht kontrolliert werden (im Sinne von Vergleichsbehandlungen, bei denen kritische Faktoren weggelassen werden) und eine Rechenschaftspflicht unmöglich ist? Die Enthusiasten waren beunruhigt, aber nicht abgeschreckt von den Schwierigkeiten der langfristigen Beobachtung von Generationen von Kindern. Die Frage, ob man ein strenges, fortlaufendes wissenschaftliches Experiment ohne angemessene Datenerfassung durchführen kann, blieb unbeantwortet. Die noch grundsätzlichere Frage, ob es ethisch vertretbar ist, mit zukünftigen Menschen, dem menschlichen Genpool, der menschlichen Spezies und der Evolution selbst zu experimentieren, blieb unbeantwortet.

Zusammenfassung: Wer will schon synthetische Eizellen und Spermien?

Die „National Infertility Association“, „RESOLVE„, ist eine Gruppe, die sich für medizinisch unfruchtbare Menschen einsetzt, die eine Familie gründen wollen. Als ihre Vertreterin auf dem Workshop gefragt wurde, ob ihre Klienten synthetische Keimzellen benötigten, antwortete sie etwas zögerlich, dass dies nicht der Fall sei. Ihre Antwort war der Auftakt zu einer Untersuchung, die nur unzureichend berücksichtigt wurde. In einer späteren Sitzung erklärte Amrita Pande, Soziologieprofessorin an der Universität Kapstadt, dass „die Nachfrage nach vielen Dingen geschaffen werden kann … es geht nicht nur darum, dass das Angebot die Nachfrage befriedigt …“. Diese Beobachtung wirft Fragen auf: Wer fragt gerade jetzt nach IVG und was sagt uns das?

„Conception Bioscience“ ist ein Unternehmen, das daran arbeitet, eierähnliche Zellen zu entwickeln, die befruchtet, implantiert und ausgetragen werden können. Der oben erwähnte Geschäftsführer Matt Krisiloff berichtete, dass sein Unternehmen häufig von Menschen kontaktiert wird, die sich biologische Kinder wünschen. Solche Wünsche stellen eine potenzielle Nachfrage dar. Die anwesenden IVG-Vertreter tauschten Ideen aus, wie man sich für Patienten einsetzen kann, um die Marktnachfrage anzukurbeln. Dazu gehört auch die Auswahl der attraktivsten Kandidatin für das erste menschliche Experiment, um Sympathien zu wecken (vorgeschlagen wurde eine junge, weibliche Krebsüberlebende). Derzeit gibt es jedoch kaum Nachfragen nach synthetischen Eizellen oder Spermien von medizinisch unfruchtbaren Menschen, die ein Kind haben wollen.

Unternehmerische Wissenschaftler mit Patentanmeldungen wollen dagegen In-vitro-Gameten. Risikokapitalgeber wollen sie. Die Kliniker der IVF-Industrie wollen sie in Erwartung einer angenommenen Nachfrage. Privat finanzierte Unternehmen wie „Conception Bioscience“, das gegründet wurde, um aus der zu erwartenden neuen Krankheitskategorie der „sozial Unfruchtbaren“ Kapital zu schlagen, wollen sie haben. Jeder, der einen Anreiz hat, in die Technologie zu investieren, will sie haben. Und das wirft eine Frage auf: Sollten Einzelpersonen und Kontingente mit derartigen finanziellen Motiven die Eröffnungssalve in der Frage anführen, ob die Gesellschaft so dramatisch mit der menschlichen Spezies experimentieren und sich dabei die ultimative menschliche Ware zu eigen machen sollte: Kinder.

Der dystopische Film „Gattaca“ aus dem Jahr 1997 ist bei den Befürwortern der Technologie sehr unbeliebt. Er beschreibt eine Zukunft, in der die Gesellschaft durch freie genetische Selektion in eugenische Klassen unterteilt ist, in die genetischen „Habenden“ und „Nichthabenden“ (im Film „Valids“ und „Invalids“). Im Jahr 2015 riet ein „Nature“-Leitartikel seinen professionellen Lesern, sich nicht an Diskussionen über den Film zu beteiligen, und ein Wissenschaftsjournalist der „New York Times“ forderte „ein internationales Verbot, sich auf den Film zu berufen“[20]. In ähnlicher Weise wies Alta Charo auf dem NAS-Workshop ihre Kollegen im Saal vor ihrer Präsentation aus dem Off darauf hin, dass es eine gute Idee sei, das Thema Eugenik zu vermeiden[21].

In dem Bericht „The Future of Fertility“ des „New Yorker“ über Startup-Unternehmen, die hinter der Gametogenese stehen, zitiert Emily Witt Hank Greely, der vorhersagt, dass „… in den nächsten zwanzig bis vierzig Jahren Sex nicht mehr die Methode sein wird, mit der die meisten Menschen Babys machen („unter Menschen mit guter Gesundheitsvorsorge“, schränkt er ein). Kein Wunder, dass die Befürworter genetischer Reproduktionstechnologien davon abraten, von Eugenik oder ihrem filmischen Avatar „Gattaca“ zu sprechen. Wenn Greelys Vorhersage zutrifft, würde die Voraussicht des Films (ebenso wie die aus Aldous Huxleys ebenso dystopischem Roman „Brave New World“ von 1931) in hohem Maße bestätigt werden. Es gibt zwar unterschiedliche Schätzungen, aber die IVG-Nutzer würden ihren künstlichen Embryo einpflanzen, nachdem sie aus Hunderten ähnlicher Embryonen eine Auswahl nach experimentellem Erfolg (geeignete Merkmale, keine offensichtlichen Fehler) getroffen haben. Das wäre Eugenik am Fließband – mit vorhersehbaren sozialen Auswirkungen[22].

Der NAS-Workshop zur IVG bot interessierten Parteien die Gelegenheit, darüber nachzudenken, was nötig ist, damit die IVG ein rechtlich akzeptiertes, gesellschaftlich normalisiertes Merkmal der klinischen Praxis wird – eine Option im Leistungsangebot von Fertilitätskliniken. Das Treffen war so strukturiert, dass die Einwände gegen die Verwendung von IVG zur Herstellung von künstlichen Embryonen für die Einpflanzung und Trächtigkeit zerstreut werden konnten. Anstatt eine ausgewogene Bewertung dessen vorzunehmen, was für die Menschheit auf dem Spiel steht, wenn die Gametogenese klinisch eingesetzt wird, diente die Konferenz der Feinabstimmung der öffentlichen Lobbyarbeit zur Normalisierung einer exotischen und umstrittenen Technologie. Die Befürworter der Technologie schlugen vor, öffentliche Aufklärungsprogramme zu starten. Zu den Programmen könnten Wissenschaftsmuseen für Kinder gehören, die sie mit Eizellen, Embryonen und IVG vertraut machen; die Öffentlichkeitsarbeit sollte ein gewisses Maß an wissenschaftlicher Kompetenz vermitteln, auf Grundschulniveau angesiedelt und sympathisch verpackt sein. Es wurde jedoch nicht erwähnt, dass über die stets vorhandenen Risiken mächtiger Technologien unterrichtet werden sollte, oder dass eine sozialwissenschaftliche Bildung erforderlich ist, die kritische Überlegungen ernst nimmt – und die die Befürworter auf dem Workshop nicht anstellen wollten.

Das Konzept des „technologischen Imperativs“ besagt, dass neue Technologien, die von ihren Befürwortern als nützlich angesehen werden, unweigerlich entwickelt und eingesetzt werden. Dennoch wird in der Öffentlichkeit zu Recht darüber diskutiert, ob Chatbots ein Bewusstsein haben, ob KI-Gemälde Kunst sind oder ob die nachahmenden Eigenschaften von im Labor hergestelltem Fleisch die dafür erforderlichen Nährstoffdefizite rechtfertigen. Elitetreffen der wissenschaftlichen Gesellschaft sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Herstellung synthetischer Embryonen die Grenzen zwischen Menschen und Objekten verwischt und darüber hinaus einen Anreiz für eine „Qualitätskontrolle“ bietet, die sich unweigerlich zu einer Plattform für die Eugenik entwickelt.[23]

Kalifornische Koda

Technologien können sich weit von ihrem ursprünglich genehmigten Kontext entfernen. Matt Krisiloff von „Conception Bioscience“ erläuterte beispielsweise die Wahl Kaliforniens als Unternehmenssitz: Kalifornien ist ein Staat, der die Herstellung von Embryonen erlaubt. Aber Kalifornien hat die Erzeugung von Embryonen nicht legalisiert, um deren Herstellung in großem Umfang und auf Nachfrage zu ermöglichen, um Kinder zu erzeugen. Vielmehr hat Kalifornien die Erzeugung von Embryonen erlaubt, um die Forschung an embryonalen Stammzellen zu erleichtern, die bei der Suche nach Heilmitteln für eine Reihe von Krankheiten helfen sollen. Ist ein Unternehmen in der Lage, sich ein günstiges Umfeld zu sichern, wenn die ursprüngliche Genehmigung aus einem ganz anderen Grund erteilt wurde? Sollte es dazu berechtigt sein? Wie weit dürfen sich Technologien von ihrem ursprünglichen Kontext entfernen?[24]

Für Kalifornien steht viel auf dem Spiel, um die richtige Antwort zu finden. Es mag ein Staat sein, der die Erzeugung von Embryonen erlaubt, aber es ist auch ein Staat, der sich zu seiner eigenen beschämenden Rolle bei der Förderung der Eugenik im 20. Jahrhundert bekannte. Im März 2003 entschuldigte sich Gouverneur Gray Davis bei allen, die von der kalifornischen Eugenik-Bewegung betroffen waren.[25] Im Juni 2003 verabschiedete der kalifornische Senat die Senatsresolution SR 20, in der er anerkennt, dass „das Ziel der Eugenik-Bewegung des zwanzigsten Jahrhunderts die Verbesserung der Rasse durch die Beseitigung von Erbkrankheiten oder genetischen Defekten mittels Sterilisation, selektiver Züchtung und sozialem Engineering“ war. Er forderte alle Bürger auf, sich mit der Geschichte der Eugenik-Bewegung vertraut zu machen und beschloss, dass „diese Resolution sich mit der Bigotterie und Intoleranz der Vergangenheit gegenüber Menschen mit Behinderungen und anderen, die von der Eugenik-Bewegung als ‚genetisch untauglich‘ angesehen wurden …“, befaßt.[26] Es gibt anhaltende Bemühungen, die Opfer der staatlich geförderten Eugenik zu entschädigen.[27] Darüber hinaus deckte die Fakultät der University of California, Berkeley, im Jahr 2018 auf, dass die Universität fortlaufend Forschungsmittel vom „Genealogical Eugenics Institute Fund“ erhielt. Die Gelder wurden eingefroren, und im Jahr 2020 wurden die Auszahlungen umgewidmet, um die Campus-Gemeinschaft und die Öffentlichkeit über die grausame Geschichte der Eugenik aufzuklären.[28]

Befürworter von Technologien mit eugenischen Fähigkeiten versuchen oft, zwischen staatlich geförderter Eugenik einerseits und der bloßen Anhäufung von Entscheidungen, die auf einem freien Markt getroffen werden, andererseits zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist unaufrichtig. Die Eugenik des zwanzigsten Jahrhunderts ist voll von Beispielen für „Fittere-Familien-Wettbewerbe“[29]. Was könnte marktwirtschaftlicher sein als Wettbewerb? Während die öffentlichen Debatten über die reproduktive Gametogenese beginnen, muss Kalifornien seine Führungsrolle überdenken. Wird es die einzigartige moralische Wirkung seiner berüchtigten Führungsrolle in der Eugenik des 20. Jahrhunderts ungeschehen machen, nur um ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Nation in die Techno-Eugenik des 21. Jahrhunderts zu führen?


Stuart Newman ist Professor für Zellbiologie und Anatomie, New York Medical College, Valhalla, New York, und Mitglied des Vorstands der „Alliance for Humane Biotechnology“ (AHB), San Francisco, Kalifornien. Tina Stevens ist emeritierte Dozentin für Geschichte an der San Francisco State University und Direktorin der AHB. Sie sind die Autoren von „Biotech Juggernaut: Hope, Hype, and Hidden Agendas of Entrepreneurial Bioscience“ (Routledge, 2019). Dieser Artikel basiert auf einem AHB White Paper.

Unterzeichnen Sie die „Internationale Erklärung gegen die Legalisierung der genetischen Veränderung des Menschen.

Fußnoten

[1] Newman, Stuart, “Our Assembly-Line Future?,” CounterPunch, July 31, 2018, https://www.counterpunch.org/2018/07/31/our-assembly-line-future/

[2] Vaughan-Jackson, Alun, Szymon Stodolak, Kourosh H. Ebrahimi, Cathy Browne, Paul K. Reardon, Elisabete Pires, Javier Gilbert-Jaramillo, Sally A. Cowley, and William S. James. 2021. “Differentiation of human induced pluripotent stem cells to authentic macrophages using a defined, serum-free, open-source medium.” Stem Cell Reports 16 (7):1735-1748. doi: https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2021.05.018; Chen, SW., Wong, YH. (2023). Directed Differentiation of Human iPSCs into Microglia-Like Cells Using Defined Transcription Factors. In: Huang, YW.A., Pak, C. (eds) Stem Cell-Based Neural Model Systems for Brain Disorders. Methods in Molecular Biology, vol 2683. Humana, New York, NY. https://doi.org/10.1007/978-1-0716-3287-1_5

[3] Siehe z.B. Emily Witt, “The Future of Fertility: a new crop of biotech startups wants to revolutionize human reproduction,” The New Yorker, April 17, 2023. https://www.newyorker.com/magazine/2023/04/24/the-future-of-fertility

[4] Siehe die Präsentation von Paula Amato von der Oregon Health and Sciences University an Tag 1

[5] Ebda.

[6] http://www.humanebiotech.org/sign-egg-donor-petition

[7] https://www.nationalacademies.org/event/04-19-2023/in-vitro-derived-human-gametes-as-a-reproductive-technology-scientific-ethical-and-regulatory-implications-a-workshop?i=_w2WaLdVBmoX8Qhu35lMHUiFdk-doqH7

[8] Siehe auch: Katie Hasson, “Lab-Made Gametes Takes Center Stage,” BioPolitical Times, 05.16.23: https://www.geneticsandsociety.org/biopolitical-times/lab-made-gametes-take-center-stage

[9] National Academies, Agenda for workshop on In Vitro Derived Human Gametes.: Scientific, Ethical, Regulatory, Legal and Clinical Implications: A Workshop, April 19-21 https://www.nationalacademies.org/documents/embed/link/LF2255DA3DD1C41C0A42D3BEF0989ACAECE3053A6A9B/file/DA5ED106FF2081C69862FF4741D440B29583B2E3B06E?noSaveAs=1

[10] Hugh Taylor, MD. Yale University, ehemaliger Präsident (American Society for Reproductive Medicine) ASRM https://www.nationalacademies.org/documents/embed/link/LF2255DA3DD1C41C0A42D3BEF0989ACAECE3053A6A9B/file/D6E1AB97133CA53B50915EF694553F8AAAB166467CDE?noSaveAs=1.

[11] Zur Frage, ob das IVG tatsächlich ein Segen für LGTBQ-Familien ist, siehe Darnovsky, Marcy, “Bioengineered Gametes: Techno-Liberation or Techno-Trap,” BioPolitical Times 08.26.2020: https://www.geneticsandsociety.org/biopolitical-times/bioengineered-gametes-techno-liberation-or-techno-trap

[12] IVG erweitert auch die Möglichkeiten für die umstrittene Verwendung polygener Risikoscores zur Vorhersage des sozialen Erfolgs. Siehe Ball, Philip, “Polygenic screening of embryos is here but is it ethical,” The Guardian,10.17.2021

https://www.theguardian.com/science/2021/oct/17/polygenic-screening-of-embryos-is-here-but-is-it-ethical

und Shanks, Pete, “ACMG: Do Not Use Polygenic Risk Scores for Embryo Selection,” 03.21.2023, https://www.geneticsandsociety.org/biopolitical-times/acmg-do-not-use-polygenic-risk-scores-embryo-selection

[13] Dr. Ari Brivanlou von der Rockefeller-Universität gab beispielsweise bekannt, dass er auch Mitbegründer von Rumi Scientific ist, das sich direkt mit klinischen Anwendungen dieser Art von Arbeit befasst; die Juristin und Bioethikerin Alta Charo sitzt in den Vorständen oder berät Biounternehmen, die diese Technologien entwickeln, z. B. Conception BioSciences; Paula Amato, die designierte Präsidentin von ASRM, erhält Mittel von Open Philanthropy, das auch den Workshop finanziert hat.

[14] Open Philanthropy, ein Förderer des National Academies Workshop, finanziert zum Beispiel auch die Forschung von Paula Amato und Katsuhiko Hayashi.

[15] Fortune Business Insights: “In Vitro Fertilization Market Size, Share & Industry Analysis, By Type (Conventional IVF, and IVF with ICSI), By Procedure (Fresh Non-donor, Frozen Non-donor, Fresh Donor, and Frozen Donor), By End User (Hospitals, and Fertility Clinics) and Regional Forecast, 2019-2026”

https://www.fortunebusinessinsights.com/in-vitro-fertilization-ivf-market-102189

[16]https://www.nationalacademies.org/about#:~:text=The%20National%20Academies%20of%20Sciences,for%20the%20benefit%20of%20society.

[17] „Das Dickey-Wicker Amendment wird seit 1995 jährlich im Rahmen des Bundeshaushalts des US-Gesundheitsministeriums verabschiedet und verbietet Wissenschaftlern die Finanzierung von Forschungsarbeiten an menschlichen Embryonen durch das US NIH. Das Dickey-Wicker Amendment verbietet ausdrücklich die Finanzierung durch den Bund für die Erzeugung eines menschlichen Embryos oder menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken oder für Forschungsarbeiten, bei denen ein menschlicher Embryo oder menschliche Embryonen zerstört, weggeworfen oder wissentlich der Gefahr einer Verletzung oder des Todes ausgesetzt werden“, einschließlich der Entwicklung von hESC-Linien. Die Änderung gilt nur für Bundesmittel und hat keine Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung, die von staatlichen oder lokalen Behörden oder privaten Einrichtungen finanziert wird. Mathews, Kristin RW and Morali, Daniel, “National human embryo and embryoid research policies: a survey or 22 top research-intensive countries,” Regenerative Medicine Vol. 15 No. 7

https://www.futuremedicine.com/doi/10.2217/rme-2019-0138

[18] In vivo bezieht sich auf einen Prozess, der innerhalb eines lebenden Organismus stattfindet, im Gegensatz zu Reagenzgläsern und Kulturschalen.

[19] Siehe z.B. Seita Y, Hwang YS, Sasaki K. “Reconstitution of Human Prospermatogonial Development from Human-Induced Pluripotent Stem Cells.” Methods Mol Biol. 2023; 2656:145-159. doi: 10.1007/978-1-0716-3139-3_8. PMID: 37249870. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37249870/

[20] Siehe Stevens, Tina and Newman, Stuart, Biotech Juggernaut: Hope, Hype and Hidden Agendas of Entrepreneurial BioScience (New York: Routledge 2019) p. 118).

[21] Diese Ermahnung erscheint nicht in der redigierten aufgezeichneten Fassung.

[22] Sehen Sie sich die Vorträge der UC Davis-Rechtsprofessorin Lisa Ikemoto und die Fragen und Antworten zu Zugangs- und Kostenfragen an.

[23] Newman, Stuart, “Our Assembly-Line Future?,” (op. cit., ref. 1)

[24] Könnte die gametogene Entwicklung in den Dienst der Forderungen der weltweiten Verteidigungsministerien nach „Human Augmentation“ für militärische Zwecke gestellt werden? Siehe Verteidigungsministerium, „Human Augmentation – the Dawn of a New Paradigm“. https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/986301/Human_Augmentation_SIP_access2.pdf

[25] Ingram, Carl, “State Issues Apology for Policy of Sterilization,” Los Angeles Times, March 12, 2003.

https://www.latimes.com/archives/la-xpm-2003-mar-12-me-sterile12-story.html

[26] https://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billTextClient.xhtml?bill_id=200320040SR20

[27] https://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billTextClient.xhtml?bill_id=201920200AB3052

[28] Manke, Kara, “Berkeley Public Health announces plans to rename, repurpose former eugenic fund,” Berkeley News, October 26, 2020.

[29] Uenuma, Francine, “‘Better Babies’ Contests Pushed for Much-Needed Infant Health but Also Played Into the Eugenics Movement,” Smithsonian Magazine, January 17, 2019. https://www.smithsonianmag.com/history/better-babies-contests-pushed-infant-health-also-played-eugenics-movement-180971288/

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