Oktober 12, 2024

Die herausragende Artikelreihe über die „multipolare Weltordnung“ von Iain Davis komplett – und als pdf zum Download und Weiterverbreiten

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Hier gibt es nochmal alle vier Teile als einzigen Text. Außerdem ein pdf zum Download, das sie frei verteilen können.


Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist in erster Linie eine Tragödie für die Menschen in beiden Ländern, vor allem für diejenigen, die in den Kampfgebieten leben – und sterben. Die Priorität für die Menschheit, wenn auch offensichtlich nicht für die politische Klasse, besteht darin, Moskau und Kiew dazu zu bewegen, das Töten von Männern, Frauen und Kindern einzustellen und ein Friedensabkommen auszuhandeln.

Über die unmittelbaren Grenzen des Konflikts hinaus wird der Krieg von einigen auch als Ausdruck eines angeblichen Zusammenstoßes zwischen Großmächten und vielleicht auch zwischen Zivilisationen gesehen. Alle Kriege sind folgenreich, aber die Auswirkungen des ukrainischen Krieges sind bereits global.

Folglich besteht der Eindruck, dass er der Brennpunkt einer Konfrontation zwischen zwei unterschiedlichen Modellen der Weltordnungspolitik sei. Das von der NATO geführte Bündnis der westlichen Staaten setze sich weiterhin für die unipolare, auf G7-Regeln basierende internationale Ordnung (IRBO) ein. Dagegen stünden die von Russland und China angeführten BRICS-Staaten und die multipolare Weltordnung der G20-Staaten, wie einige meinen.

In dieser dreiteiligen Serie werden wir diese Fragen untersuchen und prüfen, ob es vertretbar ist, auf die entstehende multipolare Weltordnung zu vertrauen.

Die unipolare Weltordnung hat nur wenige positive Eigenschaften, das ist sicher. Es ist ein System, das in erster Linie dem Kapital dient und nur wenigen Menschen, abgesehen von einer „Parasitenklasse“ von Interessenvertretern des kapitalistischen Eugenikertums. Dies hat viele unzufriedene Menschen im Westen dazu veranlasst, ihre Hoffnungen in das Versprechen einer multipolaren Weltordnung zu investieren:

Viele haben sich zunehmend mit der Tatsache abgefunden, dass das heutige multipolare System unter der Führung Russlands und Chinas auf der Verteidigung des Völkerrechts und der nationalen Souveränität basiert, wie sie in der UN-Charta festgelegt sind. […] Putin und Xi Jinping haben sich […] für eine Win-Win-Kooperation gegenüber dem Hobbes’schen Nullsummen-Denken entschieden. Ihre gesamte Strategie stützt sich auf die UN-Charta.

Wenn das nur so wäre! Leider scheint das nicht der Fall zu sein. Aber selbst wenn es wahr wäre, wäre es ein Grund zur Sorge und nicht zur Erleichterung, wenn Putin und Xi Jinping „ihre gesamte Strategie“ auf die UN-Charta stützen würden.

Für die globalistischen Kräfte, die die Nationalstaaten als Schachfiguren auf dem großen Schachbrett betrachten und Staatsführer wie Putin, Biden und Xi Jinping als Komplizen ansehen, ist die multipolare Weltordnung ein Geschenk des Himmels. Sie haben mehr als ein Jahrhundert lang versucht, die globale Macht zu zentralisieren. Die Macht der einzelnen Nationalstaaten bietet zumindest die Möglichkeit einer gewissen Dezentralisierung. Die multipolare Weltordnung macht endlich Schluss mit der nationalen Souveränität und ermöglicht eine echte globale Governance.

Weltordnung

Wir müssen zwischen dem ideologischen Konzept der „Weltordnung“ und der Realität unterscheiden. Dies wird uns helfen zu erkennen, wo die „Weltordnung“ ein künstlich auferlegtes Konstrukt ist.

Autoritäre Macht, ausgeübt über Bevölkerungen, Territorien und Ressourcen, begrenzt durch physische und politische Geographie, diktiert die „Weltordnung“. Die gegenwärtige Ordnung ist weitgehend das Ergebnis einer knallharten Geopolitik, aber sie spiegelt auch die verschiedenen Versuche wider, eine globale Ordnung durchzusetzen.

Das Ringen um die Bewältigung und Abmilderung der Folgen der Geopolitik ist in der Geschichte der internationalen Beziehungen offensichtlich. Seit fast 500 Jahren versuchen die Nationalstaaten, als souveräne Einheiten zu koexistieren. Zahlreiche Systeme wurden entwickelt, um die Kontrolle über das zu erlangen, was andernfalls zu Anarchie führen würde. Es ist sehr zum Nachteil der Menschheit, dass es dem Anarchismus nicht erlaubt wurde, zu gedeihen.

Im Jahr 1648 beendeten die beiden bilateralen Verträge, die den Westfälischen Frieden bildeten, den 30-jährigen Krieg (oder die Kriege). Diese ausgehandelten Vereinbarungen begründeten das Prinzip der territorialen Souveränität innerhalb der Grenzen des Nationalstaates.

Dadurch wurde die zentralisierte autoritäre Macht des Heiligen Römischen Reiches (HRE) zwar eingeschränkt, aber nicht beendet. Britannica stellt fest:

Der Westfälische Friede erkannte die volle territoriale Souveränität der Mitgliedsstaaten des Reiches an.

Das ist nicht ganz richtig. Die so genannte „volle territoriale Souveränität“ grenzte die regionale Macht innerhalb Europas und des Heiligen Römischen Reiches ein, aber es wurde keine volle Souveränität geschaffen.

Durch die Westfälischen Verträge wurden Hunderte von Fürstentümern geschaffen, die zuvor von der zentralen Legislative des Heiligen Römischen Reiches, dem Parlament, kontrolliert wurden. Diese neuen, faktisch föderalisierten Fürstentümer zahlten nach wie vor Steuern an den Kaiser, und vor allem die Religionsausübung blieb weiterhin Sache des Reiches. Die Verträge festigten auch die regionale Macht der dänischen, schwedischen und französischen Staaten, aber das Reich selbst blieb intakt und dominant.

Richtiger wäre es zu sagen, dass der Westfälische Friede die autoritäre Macht des Reiches etwas einschränkte und die physischen Grenzen einiger Nationalstaaten festlegte. Im 20. Jahrhundert führte dies zu der weit verbreiteten Auffassung, dass der Nationalstaat ein Bollwerk gegen die internationale Hegemonialmacht sei, obwohl dies nie ganz zutraf.

Folglich beruht das so genannte „Westfälische Modell“ weitgehend auf einem Mythos. Es stellt eine idealisierte Version der Weltordnung dar, die eher andeutet, wie sie funktionieren könnte, als zu beschreiben, wie sie es tut.

Unterzeichnung des Westfälischen Friedens, in Münster 1648, Gemälde von Gerard Ter Borch

Wenn die Nationalstaaten wirklich souverän wären und ihre territoriale Integrität wirklich respektiert würde, dann wäre die westfälische Weltordnung eine reine Anarchie. Dies ist das Ideal, auf das sich die UNO angeblich gründet, denn im Gegensatz zu einem anderen allgegenwärtigen populären Mythos bedeutet Anarchie nicht „Chaos“. Ganz im Gegenteil.

Die Anarchie wird durch Artikel 2.1 der UN-Charta veranschaulicht:

Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.

Das Wort „Anarchie“ ist eine Abstraktion des altgriechischen „anarkhos“, was „herrschaftslos“ bedeutet. Das Wort leitet sich von der Vorsilbe „an“ (ohne) in Verbindung mit „arkhos“ (Führer oder Herrscher) ab. Wörtlich übersetzt bedeutet „Anarchie“ „ohne Herrscher“ – das, was die UNO „souveräne Gleichheit“ nennt.

Eine westfälische Weltordnung souveräner Nationalstaaten, von denen jeder die „Gleichheit“ aller anderen beachtet und sich an das Nichtaggressions-Prinzip hält, ist ein System globaler, politischer Anarchie. Leider funktioniert die derzeitige UN-„Weltordnung“ nicht auf diese Weise, und es hat auch nie einen Versuch gegeben, eine solche Ordnung durchzusetzen. Was für eine Schande.

Innerhalb des Völkerbundes und des nachfolgenden UN-Systems der praktischen „Weltordnung“ – einer Weltordnung, die angeblich auf der Souveränität der Nationen beruht – existiert Gleichheit nur in der Theorie. Durch Imperium, Kolonialismus und Neokolonialismus, d. h. durch wirtschaftliche, militärische, finanzielle und monetäre Eroberung in Verbindung mit den Schulden, die den Zielländern auferlegt werden, waren die Weltmächte stets in der Lage, die weniger mächtigen Länder zu beherrschen und zu kontrollieren.

Nationale Regierungen waren, wenn man sie rein politisch definiert, nie die einzige Quelle der Autorität, die hinter den Bemühungen um den Aufbau einer Weltordnung steht. Wie von Antony C. Sutton und anderen aufgezeigt, hat die Macht privater Unternehmen den nationalen Regierungen bei der Gestaltung der „Weltordnung“ geholfen.

Weder Hitlers Aufstieg zur Macht noch die bolschewistische Revolution hätten sich ohne die Führung der Wall-Street-Finanziers so ereignet, wie sie es taten, wenn überhaupt. Die globalen Finanzinstitutionen der Bankiers und ihre ausgedehnten internationalen Spionagenetzwerke waren maßgeblich an der Verschiebung der globalen politischen Macht beteiligt.

Diese privatwirtschaftlichen „Partner“ der Regierungen sind die „Interessengruppen“, von denen wir heute ständig hören. Die Mächtigsten unter ihnen sind voll und ganz in „das Spiel“ eingebunden, das Zbigniew Brzezinski in „The Grand Chessboard“ beschrieben hat.

Brzezinski erkannte, dass die kontinentale Landmasse Eurasiens der Schlüssel zu einer echten globalen Hegemonie ist:

Dieses riesige, seltsam geformte eurasische Schachbrett, das sich von Lissabon bis Wladiwostok erstreckt, bildet den Rahmen für „das Spiel“. […] Im Falle, dass der mittlere Raum dem Westen eine Abfuhr erteilt und zu einer selbstbewussten Einheit wird […] dann schrumpft Amerikas Vorrangstellung in Eurasien dramatisch. [Dieser Megakontinent ist einfach zu groß, zu bevölkerungsreich, kulturell zu vielfältig und besteht aus zu vielen historisch ehrgeizigen und politisch tatkräftigen Staaten, als dass er sich selbst der wirtschaftlich erfolgreichsten und politisch herausragenden Weltmacht gegenüber gefügig zeigen könnte. […] Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Platz auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiges Land dazu beiträgt, Russland zu verändern. Ohne die Ukraine hört Russland auf, ein eurasisches Imperium zu sein. [Es würde dann zu einem vorwiegend asiatischen imperialen Staat werden.

Die von den westlichen Mächten favorisierte „unipolare Weltordnung“, die oft auch als „internationale regelbasierte Ordnung“ oder „internationales regelbasiertes System“ bezeichnet wird, ist ein weiterer Versuch, Ordnung zu schaffen. Dieses „unipolare“ Modell ermöglicht es den USA und ihren europäischen Partnern, das UN-System zu instrumentalisieren, um eine Legitimation für ihre imperialen Spiele zu erhalten. Auf diese Weise hat das transatlantische Bündnis seine wirtschaftliche, militärische und finanzielle Macht eingesetzt, um eine globale Hegemonie zu erlangen.

Im Jahr 2016 veröffentlichte Stewart Patrick, der für den US-amerikanischen „Council on Foreign Relations“ (CFR), einen außenpolitischen Think Tank, schreibt, die Schrift „World Order: What, Exactly, are the Rules?“. Er beschrieb darin die „internationale regelbasierte Ordnung“ (IRBO) der Nachkriegszeit:

Die westliche Ordnung nach 1945 zeichnet sich dadurch aus, dass sie überwiegend von einer einzigen Macht [einer unipolaren Macht], den Vereinigten Staaten, geprägt wurde. Im breiteren Kontext der strategischen Bipolarität hat sie die Regime der kapitalistischen Weltwirtschaft aufgebaut, verwaltet und verteidigt. In der Handelssphäre drängt der Hegemon auf Liberalisierung und hält einen offenen Markt aufrecht; in der Währungssphäre stellt er eine frei konvertierbare internationale Währung bereit, verwaltet die Wechselkurse, stellt Liquidität bereit und dient als Kreditgeber letzter Instanz; und in der Finanzsphäre dient er als Quelle für internationale Investitionen und Entwicklung.

Die Vorstellung, dass die aggressive Marktübernahme des Klientelkapitalismus irgendwie die „offenen Märkte“ der „kapitalistischen Weltwirtschaft“ repräsentiert, ist lächerlich. Er ist so weit vom Kapitalismus der freien Marktwirtschaft entfernt, wie es nur möglich ist. Im Kapitalismus der Vetternwirtschaft ist der US-Dollar als bevorzugte globale Reservewährung nicht „frei konvertierbar“. Die Wechselkurse werden manipuliert und die Liquidität ist für fast alle außer dem Kreditgeber eine Schuld. „Investitionen und Entwicklung“ durch den Hegemon bedeuten mehr Profit und Kontrolle für den Hegemon.

Die Vorstellung, dass ein politischer Führer, oder überhaupt jemand, ausschließlich schlecht oder gut ist, ist kindisch. Die gleiche Überlegung kann auch für Nationalstaaten, politische Systeme oder sogar Modelle der Weltordnung angestellt werden. Der Charakter eines Menschen, einer Nation oder eines Systems der Weltordnungspolitik lässt sich besser anhand der Gesamtheit seiner Handlungen beurteilen.

Was auch immer wir als Quelle von „Gut“ und „Böse“ betrachten, es existiert in jedem von uns an beiden Enden eines Spektrums. Manche Menschen weisen ein extremes Maß an Psychopathie auf, was sie zu Taten verleiten kann, die als „böse“ eingestuft werden. Aber selbst Hitler zeigte beispielsweise Zivilcourage, Hingabe, Mitgefühl für andere und andere Eigenschaften, die wir als „gut“ bezeichnen könnten.

Nationalstaaten und globale Regierungsstrukturen sind zwar ungeheuer komplex, werden aber von Menschen gebildet und geführt. Sie werden von einer Vielzahl von Kräften beeinflusst. Angesichts der zusätzlichen Komplikationen durch Zufall und unvorhergesehene Ereignisse ist es unrealistisch zu erwarten, dass irgendeine Form von „Ordnung“ entweder völlig gut oder völlig schlecht ist.

Wenn diese „Ordnung“ jedoch ungerecht ist und den Menschen spürbaren Schaden zufügt, dann ist es wichtig zu ermitteln, wem diese „Ordnung“ Vorteile bringt. Ihre mögliche individuelle und kollektive Schuld sollte untersucht werden.

Dies bedeutet nicht, dass diejenigen, die davon profitieren, automatisch schuldig sind, noch dass sie „schlecht“ oder „böse“ sind, auch wenn sie es sein mögen, sondern nur, dass sie einen Interessenkonflikt haben, wenn sie ihre „Ordnung“ trotz des Schadens, den sie verursacht, aufrechterhalten. Ebenso ist es unvernünftig, in Fällen, in denen ein systembedingter Schaden offensichtlich ist, die Handlungen derjenigen freizusprechen, die dieses System anführen und von ihm profitieren, ohne zuvor ihre mögliche Schuld auszuschließen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden Millionen von Unschuldigen von den USA, ihren internationalen Verbündeten und ihren Unternehmenspartnern ermordet, die allesamt ihr militärisches, wirtschaftliches und finanzielles Gewicht in die Waagschale geworfen haben. Die westliche „Parasitenklasse“ hat versucht, ihre IRBO mit allen Mitteln durchzusetzen – mit Sanktionen, Schuldknechtschaft oder regelrechter Sklaverei, physischer, wirtschaftlicher oder psychologischer Kriegsführung. Der gierige Wunsch nach mehr Macht und Kontrolle hat das Schlimmste in der menschlichen Natur offenbart. Wiederholt und bis zum Überdruss.

Natürlich ist der Widerstand gegen diese Art der globalen Tyrannei verständlich. Die Frage ist nur: Bietet die Durchsetzung des multipolaren Modells etwas anderes?

Unterzeichnung der UN-Charta – 1948

Oligarchie

In jüngster Zeit wurde die „unipolare Weltordnung“ durch den unangemessenener Weise so genannten „Great Reset“ des Weltwirtschaftsforums verkörpert. Sie ist so bösartig und abschreckend, dass manche die sich abzeichnende „multipolare Weltordnung“ als Erlösung betrachten. Sie haben sogar die wahrscheinlichen Führer der neuen multipolaren Welt mit Lob überschüttet:

Es sind […] Zielstrebigkeit und Charakterstärke, die Putins zwei Jahrzehnte an der Macht ausmachen. […] Russland ist dem Prozess der Lösungsfindung verpflichtet, damit alle Menschen von der Zukunft profitieren, nicht nur ein paar tausend selbstgefällige Oligarchen. […] Gemeinsam sagten [Russland und China] dem WEF, es solle den Great Reset zurück in das Loch stopfen, in dem er erdacht wurde. […] Putin sagte Klaus Schwab und dem WEF, dass ihre gesamte Idee des Great Reset nicht nur zum Scheitern verurteilt ist, sondern auch allem zuwiderläuft, was eine moderne Führung anstreben sollte.

Leider scheint auch diese Hoffnung unangebracht zu sein.

Putin hat zwar viel getan, um Russland von den von der CIA gesteuerten und vom Westen unterstützten Oligarchen zu befreien, die die Russische Föderation in den 1990er Jahren systematisch zerstörten, doch wurden sie anschließend durch eine andere Gruppe von Oligarchen ersetzt, die engere Verbindungen zur derzeitigen russischen Regierung haben. Dies werden wir in Teil 3 untersuchen.

Ja, es ist sicherlich richtig, dass die russische Regierung unter der Führung von Putin und seinem Machtblock die Einkommen und Lebenschancen der Mehrheit der Russen verbessert hat. Putins Regierung hat auch die chronische Armut in Russland in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich reduziert.

Der Reichtum in Russland, gemessen am Marktwert der finanziellen und nicht-finanziellen Vermögenswerte, ist nach wie vor in den Händen der obersten 1% der Bevölkerung konzentriert. Diese Konzentration des Reichtums auf das oberste Perzentil ist selbst stratifiziert und wird überwiegend von den obersten 1% der 1% gehalten. Im Jahr 2017 wurden beispielsweise 56% des russischen Vermögens von 1% der Bevölkerung kontrolliert. Die Pseudopandemie von 2020-2022 kam vor allem den russischen Milliardären zugute – wie auch den Milliardären aller anderen entwickelten Volkswirtschaften.

Laut dem „Global Wealth Report 2021“ der Credit Suisse lag die Vermögensungleichheit in Russland, gemessen anhand des Gini-Koeffizienten, im Jahr 2020 bei 87,8. Die einzige andere grosse Volkswirtschaft mit einer grösseren Ungleichheit zwischen den Vermögenden und dem Rest der Bevölkerung war Brasilien. Gleich hinter Brasilien und Russland auf der Skala der Vermögensungleichheit lagen die USA, deren Gini-Koeffizient bei 85 lag.

In Bezug auf die Vermögenskonzentration war die Situation in Russland jedoch mit großem Abstand am schlimmsten. Im Jahr 2020 besaßen die obersten 1% 58,2% des russischen Vermögens. Dies war mehr als 8 Prozentpunkte höher als die Vermögenskonzentration in Brasilien und deutlich schlechter als die Vermögenskonzentration in den USA, die im Jahr 2020 bei 35,2% lag.

Eine solche unverhältnismäßige Vermögensverteilung begünstigt die Entstehung und Stärkung von Oligarchen. Aber Reichtum allein entscheidet nicht darüber, ob jemand ein Oligarch ist. Damit der Begriff „Oligarch“ zutreffend ist, muss der Reichtum in politische Macht umgewandelt werden. Eine Oligarchie wird definiert als „eine Regierungsform, bei der die oberste Macht in den Händen einer kleinen exklusiven Klasse liegt“.

Die Mitglieder dieser herrschenden Klasse werden durch eine Vielzahl von Mechanismen eingesetzt. Das britische Establishment, insbesondere die politische Klasse, wird von Männern und Frauen dominiert, die in Eton, Roedean, Harrow, St. Pauls usw. ausgebildet wurden. Diese „kleine exklusive Klasse“ stellt wohl eine britische Oligarchie dar. Die neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Liz Truss, wurde von einigen gefeiert, weil sie keine Absolventin einer dieser ausgewählten öffentlichen Schulen ist.

Abgesehen vom Bildungsprivileg bezieht sich der Begriff „Oligarch“ im Westen jedoch eher auf eine internationalistische Klasse von Globalisten, die sich durch individuellen Reichtum auszeichnen und diesen Reichtum nutzen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen.

Bill Gates ist ein Paradebeispiel für einen Oligarchen. Der ehemalige Berater des britischen Premierministers, Dominic Cummings, sagte dies bei seiner Aussage vor einem Parlamentsausschuss im Mai 2021 (siehe 14:02:35). Wie Cummings es ausdrückte, hatten Bill Gates und „diese Art von Netzwerk“ die Reaktion der britischen Regierung auf die angebliche COVID-19-Pandemie geleitet.

Gates‘ immenser Reichtum hat ihm direkten Zugang zu politischer Macht über die Landesgrenzen hinaus verschafft. Weder in den USA noch im Vereinigten Königreich hat er ein öffentliches Mandat. Er ist ein Oligarch – einer der bekannteren, aber bei weitem nicht der einzige.

CFR-Mitglied David Rothkopf bezeichnete diese Leute als eine „Superklasse“ mit der Fähigkeit, „das Leben von Millionen von Menschen über die Grenzen hinweg regelmäßig zu beeinflussen“. Sie tun dies, sagte er, indem sie ihre globalistischen „Netzwerke“ nutzen. Diese Netzwerke, wie sie von Antony C. Sutton, Dominic Cummings und anderen beschrieben werden, fungieren als „der Kraftmultiplikator in jeder Art von Machtstruktur“.

Diese „kleine exklusive Klasse“ nutzt ihren Reichtum, um Ressourcen und damit die Politik zu kontrollieren. Politische Entscheidungen, Politik, Gerichtsurteile und vieles mehr werden auf ihr Geheiß hin getroffen. Dieser Punkt wurde in dem gemeinsamen Schreiben der Generalstaatsanwälte von 19 US-Bundesstaaten an den CEO von BlackRock, Larry Fink, hervorgehoben.

Die Generalstaatsanwälte stellten fest, dass BlackRock seine Anlagestrategie im Wesentlichen dazu nutzt, eine politische Agenda zu verfolgen:

Die von den Bürgern dieses Landes gewählten Senatoren bestimmen, welche internationalen Abkommen Gesetzeskraft haben, nicht BlackRock.

In dem Schreiben wird das theoretische Modell der repräsentativen Demokratie beschrieben. Bei der repräsentativen Demokratie handelt es sich nicht um eine echte Demokratie – die die politische Macht dezentralisiert und dem einzelnen Bürger überträgt -, sondern vielmehr um ein System, das darauf abzielt, die politische Kontrolle und Autorität zu zentralisieren. Die „repräsentative Demokratie“ führt unweigerlich zur Konsolidierung der Macht in den Händen der von Rothkopf beschriebenen so genannten „Superklasse“.

An ihnen ist nichts „super“. Es sind ganz normale Menschen, die ihren Reichtum hauptsächlich durch Eroberung, Wucher, Marktmanipulation, politische Manipulation und Sklaverei erworben haben. „Parasitenklasse“ ist eine passendere Beschreibung.

Globale Investmentfirmen wie „BlackRock“, „Vanguard“ und „State Street“ nutzen nicht nur ihre immensen Ressourcen, um die öffentliche Politik zu lenken, sondern zu ihren Hauptaktionären gehören auch genau die Oligarchen, die durch ihre Beiträge zu verschiedenen Denkfabriken die globalen politischen Agenden erstellen, die die Politik überhaupt erst bestimmen. In diesem System der angeblichen „Weltordnung“ ist kein Platz für eine echte demokratische Kontrolle.

Wie wir in Teil 3 sehen werden, werden die Kontrollhebel in Russland und China eingesetzt, um genau denselben Effekt zu erzielen. In beiden Ländern gibt es eine Schar von Oligarchen, deren Ziele fest mit der „Great Reset“-Agenda des WEF übereinstimmen. Auch sie arbeiten mit ihren nationalen Regierungs-„Partnern“ zusammen, um sicherzustellen, dass sie alle zu den „richtigen“ politischen Entscheidungen gelangen.

Präsident Joe Biden, links, spricht über die Beziehungen zwischen den USA und dem Kreml im „Council on Foreign Relations“ mit Richard N. Haass, dem Präsidenten des „Council on Foreign Relations“, am Dienstag, 23. Januar 2018, in Washington. (AP Photo/Alex Brandon)

Das Modell der Vereinten Nationen zur nationalen Souveränität

Jeder Block von Nationen, der um die Vorherrschaft innerhalb der Vereinten Nationen kämpft, strebt nach globaler Hegemonie. Die UNO ermöglicht globale Governance und zentralisiert globale politische Macht und Autorität. Auf diese Weise stärken die UN die internationale Oligarchie.

Wie bereits erwähnt, wird in Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen erklärt, dass die UNO „auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder beruht“. In der Charta werden dann die zahlreichen Arten aufgezählt, in denen die Nationalstaaten nicht gleich sind. Sie stellt auch klar, dass sie alle dem UN-Sicherheitsrat untergeordnet sind.

Trotz aller Behauptungen der UNO über hehre Prinzipien – Respekt vor der nationalen Souveränität und den angeblichen Menschenrechten – erklärt Artikel 2, dass kein Nationalstaat von einem anderen Unterstützung erhalten kann, solange der UN-Sicherheitsrat diesen Nationalstaat zwingt, seine Verordnungen zu befolgen. Selbst Staaten, die nicht Mitglied sind, müssen sich per Dekret der Vereinten Nationen an die Charta halten, ob sie es wollen oder nicht.

Die UN-Charta ist ein Paradoxon. In Artikel 2.7 heißt es, dass „nichts in der Charta“ den Vereinten Nationen erlaubt, die Souveränität eines Nationalstaates zu verletzen – es sei denn, sie tun dies durch „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Vereinten Nationen. In der Charta heißt es, scheinbar grundlos, dass alle Nationalstaaten „gleich“ sind. Einige Nationalstaaten werden jedoch durch die Charta ermächtigt, weitaus gleicher zu sein als andere.

Während die UN-Generalversammlung angeblich ein Entscheidungsforum ist, das sich aus „gleichen“ souveränen Nationen zusammensetzt, verleiht Artikel 11 der Generalversammlung lediglich die Befugnis, „die allgemeinen Grundsätze der Zusammenarbeit“ zu erörtern. Mit anderen Worten: Sie hat keine Befugnis, wichtige Entscheidungen zu treffen.

Artikel 12 schreibt vor, dass die Generalversammlung Streitigkeiten nur dann lösen kann, wenn sie vom Sicherheitsrat dazu beauftragt wird. Die wichtigste Aufgabe der UNO, „die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“, kann nur vom Sicherheitsrat wahrgenommen werden. Was die anderen Mitglieder der Generalversammlung über die globalen „Sicherheits“-Beschlüsse des Sicherheitsrats denken, ist praktisch irrelevant.

Artikel 23 legt fest, welche Nationalstaaten den Sicherheitsrat bilden:

Der Sicherheitsrat besteht aus fünfzehn Mitgliedern der Vereinten Nationen. Die Republik China, Frankreich, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken [Russische Föderation], das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika sind ständige Mitglieder des Sicherheitsrats. Die Generalversammlung wählt zehn weitere Mitglieder der Vereinten Nationen zu nicht ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats. Die nicht ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats werden für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt.

Die Generalversammlung kann auf der Grundlage von Kriterien, die vom Sicherheitsrat festgelegt wurden, „nicht-ständige“ Mitglieder in den Sicherheitsrat wählen. Derzeit sind die „nichtständigen“ Mitglieder Albanien, Brasilien, Gabun, Ghana, Indien, Irland, Kenia, Mexiko, Norwegen und die Vereinigten Arabischen Emirate.

In Artikel 24 heißt es, dass der Sicherheitsrat „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ trägt und dass alle anderen Nationen zustimmen, dass „der Sicherheitsrat in ihrem Namen handelt“. Der Sicherheitsrat untersucht und definiert alle angeblichen Bedrohungen und empfiehlt die Verfahren und Anpassungen für die angebliche Abhilfe. Der Sicherheitsrat diktiert, welche weiteren Maßnahmen, wie Sanktionen oder die Anwendung militärischer Gewalt, gegen jeden Nationalstaat, den er als Problem betrachtet, ergriffen werden sollen.

Artikel 27 bestimmt, dass mindestens 9 der 15 Mitgliedsstaaten zustimmen müssen, damit eine Resolution des Sicherheitsrates in Kraft treten kann. Alle 5 ständigen Mitglieder müssen zustimmen, und jedes hat ein Vetorecht. Jedes Mitglied des Sicherheitsrats, einschließlich der ständigen Mitglieder, ist von der Abstimmung oder der Ausübung des Vetorechts ausgeschlossen, wenn es an der betreffenden Streitigkeit beteiligt ist.

Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind aufgrund ihrer Zustimmung zur Charta verpflichtet, auf Ersuchen des Sicherheitsrats Streitkräfte bereitzustellen. Für die militärische Planung und die operativen Ziele sind gemäß Artikel 47 ausschließlich die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates über ihren exklusiven Militärstabsausschuss zuständig. Wenn die ständigen Mitglieder an der Meinung einer anderen „souveränen“ Nation interessiert sind, bitten sie diese um eine solche.

Die der Charta innewohnende Ungleichheit könnte nicht deutlicher sein. In Artikel 44 heißt es, dass „wenn der Sicherheitsrat beschlossen hat, Gewalt anzuwenden“, seine einzige beratende Verpflichtung gegenüber der gesamten UNO darin besteht, den Einsatz der Streitkräfte eines anderen Mitgliedstaates zu erörtern, wenn der Sicherheitsrat diesem Land einen Kampfauftrag erteilt hat. Für ein Land, das derzeit Mitglied des Sicherheitsrats ist, ist der Einsatz seiner Streitkräfte durch den Militärstabsausschuss eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Rat.

Der UN-Generalsekretär, der in der Charta als „oberster Verwaltungsbeamter“ bezeichnet wird, beaufsichtigt das UN-Sekretariat. Das Sekretariat vergibt Aufträge, führt Untersuchungen durch und erstellt die Berichte, die angeblich als Grundlage für die Entscheidungsfindung der UN dienen. Die Mitarbeiter des Sekretariats werden vom Generalsekretär ernannt. Der Generalsekretär wird „von der Generalversammlung auf Empfehlung des Sicherheitsrates ernannt“.

Unter der UN-Charta wird der Sicherheitsrat also zum König gemacht. Diese Regelung verleiht den Regierungen seiner ständigen Mitglieder – China, Frankreich, Russland, Großbritannien und den USA – beträchtliche zusätzliche Macht. Die UN-Charta hat nichts Egalitäres an sich.

Die Behauptung, die UN-Charta stelle eine „Verteidigung“ der „nationalen Souveränität“ dar, ist lächerlich. Die UN-Charta ist die Verkörperung der Zentralisierung von globaler Macht und Autorität.

UN-Hauptquartier New York – von den Rockefellers gestiftetes Grundstück

Die globale öffentlich-private Partnerschaft der Vereinten Nationen

Die UNO wurde in nicht geringem Maße durch die Bemühungen der privatwirtschaftlichen „Rockefeller Foundation“ (RF) geschaffen. Insbesondere die umfassende finanzielle und operative Unterstützung der Wirtschafts-, Finanz- und Transitabteilung (EFTD) des Völkerbundes (LoN) [„League of Nations“, Anm. d. Übersetzers] durch die RF und ihr erheblicher Einfluss auf die „United Nations Relief and Rehabilitation Administration“ (UNRRA) machten die RF zum Hauptakteur bei der Umwandlung des LoN in die UN.

Die UNO entstand im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Seitdem sind öffentlich-private Partnerschaften im UN-System vorherrschend geworden, insbesondere in den Bereichen Verteidigung, Finanzierung, globale Gesundheitsversorgung und nachhaltige Entwicklung. Die UNO ist keine zwischenstaatliche Organisation mehr, falls sie jemals eine war. Sie ist eine globale Zusammenarbeit zwischen Regierungen und einem multinationalen infra-staatlichen Netzwerk privater „Stakeholder“.

1998 sagte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dem Symposium des Weltwirtschaftsforums in Davos, dass in den 1990er Jahren eine „stille Revolution“ in der UNO stattgefunden habe:

Die Vereinten Nationen haben sich seit unserem letzten Treffen hier in Davos verändert. Die Organisation hat eine vollständige Überarbeitung erfahren, die ich als „stille Revolution“ bezeichnet habe. […] Wir sind jetzt in einer stärkeren Position, um mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. […] Die Geschäfte der Vereinten Nationen betreffen die Unternehmen der Welt. […] Wir fördern auch die Entwicklung des Privatsektors und ausländische Direktinvestitionen. Wir helfen Ländern dabei, dem internationalen Handelssystem beizutreten und unternehmensfreundliche Gesetze zu erlassen.

Im Jahr 2005 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, einen Bericht über den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) im Gesundheitswesen mit dem Titel „Connecting for Health“. Die WHO sprach darüber, wie „Interessengruppen“ IKT-Lösungen für das Gesundheitswesen weltweit einführen könnten, und merkte an:

Die Regierungen können ein günstiges Umfeld schaffen und in Gerechtigkeit, Zugang und Innovation investieren.

Auf der Konferenz zur Aktionsagenda von Adis Abeba 2015 zum Thema „Entwicklungsfinanzierung“ wurde das Wesen eines „förderlichen Umfelds“ geklärt. Nationale Regierungen aus 193 UN-Nationen verpflichteten sich, öffentlich-private Partnerschaften für nachhaltige Entwicklung zu finanzieren, indem sie gemeinsam vereinbarten, „auf allen Ebenen ein förderliches Umfeld für nachhaltige Entwicklung“ zu schaffen und „den Rahmen für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung weiter zu stärken.“

Im Jahr 2017 verpflichtete die Resolution 70/224 der UN-Generalversammlung (A/Res/70/224) die UN-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung „konkreter politischer Maßnahmen“, die eine nachhaltige Entwicklung „ermöglichen“. A/Res/70/224 fügte hinzu, dass die UN

das starke politische Engagement [bekräftigt], die Herausforderung der Finanzierung und der Schaffung eines günstigen Umfelds auf allen Ebenen für eine nachhaltige Entwicklung anzugehen [-] insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung von Partnerschaften durch die Bereitstellung größerer Möglichkeiten für den privaten Sektor, Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft im Allgemeinen.

Kurz gesagt, das „förderliche Umfeld“ ist eine Verpflichtung der Regierung und damit der Steuerzahler zur Finanzierung der Schaffung von Märkten für den privaten Sektor. In den letzten Jahrzehnten haben die verschiedenen Generalsekretäre den formellen Übergang der UNO zu einer globalen öffentlich-privaten Partnerschaft (G3P) beaufsichtigt.

Nationalstaaten haben keine Souveränität über öffentlich-private Partnerschaften. Die nachhaltige Entwicklung weist der Regierung formell die Rolle eines „ermöglichenden“ Partners innerhalb eines globalen Netzwerks zu, das aus multinationalen Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Organisationen der Zivilgesellschaft und anderen Akteuren besteht. Bei den „anderen Akteuren“ handelt es sich in erster Linie um die philanthropischen Stiftungen einzelner Milliardäre und unermesslich reicher Familiendynastien, also um Oligarchen.

Die UNO dient also effektiv den Interessen des Kapitals. Sie ist nicht nur ein Mechanismus für die Zentralisierung globaler politischer Autorität, sondern setzt sich auch für die Entwicklung globaler politischer Agenden ein, die „geschäftsfreundlich“ sind. Das bedeutet „Big Business“-freundlich. Solche Agenden können zufällig mit den besten Interessen der Menschheit übereinstimmen, aber wenn sie es nicht tun – was größtenteils der Fall ist – nun, dann ist das eben „Pech“ für die Menschheit.

Kofi Annan (8. April 1938 – 18. August 2018)

Global Governance

Am 4. Februar 2022, knapp drei Wochen vor dem Beginn der „militärischen Sonderoperation“ Russlands in der Ukraine, gaben die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping eine wichtige gemeinsame Erklärung ab:

Die Seiten [die Russische Föderation und die Volksrepublik China] unterstützen nachdrücklich die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit und des Austauschs […] und beteiligen sich aktiv an den einschlägigen Prozessen der Global Governance, […] um eine nachhaltige globale Entwicklung zu gewährleisten. […] Die internationale Gemeinschaft sollte sich aktiv an der Global Governance beteiligen […] Die Seiten bekräftigten ihre Absicht, die Koordinierung der Außenpolitik zu verstärken, echten Multilateralismus zu verfolgen, die Zusammenarbeit auf multilateralen Plattformen zu intensivieren, gemeinsame Interessen zu verteidigen, das internationale und regionale Kräftegleichgewicht zu unterstützen und die Global Governance zu verbessern. […] Die Seiten rufen alle Staaten auf […], die von den Vereinten Nationen geleitete internationale Architektur und die auf dem Völkerrecht basierende Weltordnung zu schützen, echte Multipolarität anzustreben, wobei die Vereinten Nationen und ihr Sicherheitsrat eine zentrale und koordinierende Rolle spielen, demokratischere internationale Beziehungen zu fördern und Frieden, Stabilität und nachhaltige Entwicklung in der ganzen Welt zu gewährleisten.

Die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN-DESA) definierte „Global Governance“ in ihrer 2014 erschienenen Publikation „Global Governance and the Global Rules For Development in the Post 2015 Era“:

Global Governance umfasst die Gesamtheit der Institutionen, Politiken, Normen, Verfahren und Initiativen, mit denen Staaten und ihre Bürger versuchen, ihre Reaktionen auf transnationale Herausforderungen berechenbarer, stabiler und geordneter zu gestalten.

Die Global Governance zentralisiert die Kontrolle über den gesamten Bereich der internationalen Beziehungen. Sie untergräbt unweigerlich die Fähigkeit einer Nation, ihre Außenpolitik zu bestimmen. Als theoretischer Schutz vor globaler Instabilität ist dies nicht unbedingt eine schlechte Idee, aber in der Praxis wird die nationale Souveränität dadurch weder verbessert noch „geschützt“.

Die Beherrschung des globalen Regierungssystems durch eine Gruppe mächtiger Nationalstaaten stellt möglicherweise die gefährlichste und destabilisierendste Kraft von allen dar. Sie ermöglicht es diesen Nationen, ungestraft zu handeln, ungeachtet aller Behauptungen über die Einhaltung des angeblichen „Völkerrechts“.

Die Global Governance schränkt auch die Unabhängigkeit der Innenpolitik eines Nationalstaates erheblich ein. Die Agenda 21 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen mit der kurz bevorstehenden Agenda 2030 als Wegweiser wirkt sich beispielsweise auf nahezu die gesamte nationale Innenpolitik aus und gibt sogar den Kurs für die meisten innenpolitischen Maßnahmen in jedem Land vor.

Die Aufsicht der nationalen Wähler über diese „Gesamtheit“ der UN-Politik ist schwach bis gar nicht vorhanden. Globales Regieren macht aus der so genannten „repräsentativen Demokratie“ kaum mehr als eine leere Worthülse.

Da es sich bei den Vereinten Nationen um eine globale öffentlich-private Partnerschaft (UN-G3P) handelt, ermöglicht die Global Governance der „Multi-Stakeholder-Partnerschaft“ – und damit den Oligarchen – einen erheblichen Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik der Mitgliedsstaaten. Vor diesem Hintergrund liefert der UN-DESA-Bericht (siehe oben) eine ehrliche Einschätzung des wahren Charakters der UN-G3P-Global Governance:

Die derzeitigen Ansätze der Global Governance und der globalen Regeln haben dazu geführt, dass der politische Spielraum der nationalen Regierungen immer kleiner wird […]; dies behindert auch den Abbau von Ungleichheiten innerhalb der Länder. […] Global Governance ist zu einem Bereich mit vielen verschiedenen Akteuren geworden, darunter: multilaterale Organisationen; […] multilaterale Elite-Gruppierungen wie die Gruppe der Acht (G8) und die Gruppe der Zwanzig (G20) [und] verschiedene Koalitionen, die für bestimmte politische Themen relevant sind[.] […] Dazu gehören auch Aktivitäten des Privatsektors (z. B., der Global Compact), Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und große philanthropische Stiftungen (z. B. Bill and Melinda Gates Foundation, Turner Foundation) sowie damit verbundene globale Fonds, die sich mit bestimmten Themen befassen[…] Die Repräsentativität, die Beteiligungsmöglichkeiten und die Transparenz vieler der Hauptakteure sind fraglich. […] NGOs […] haben oft Leitungsstrukturen, die keiner offenen und demokratischen Rechenschaftspflicht unterliegen. Die mangelnde Repräsentativität, Rechenschaftspflicht und Transparenz von Unternehmen ist umso wichtiger, als Unternehmen mehr Macht haben und derzeit eine Multi-Stakeholder-Governance mit einer führenden Rolle des Privatsektors fördern. […] Derzeit scheinen die Vereinten Nationen nicht in der Lage zu sein, bei der Lösung von Problemen der Global Governance eine Richtung vorzugeben – vielleicht mangelt es ihnen an geeigneten Ressourcen oder an Autorität oder an beidem. Die Organe der Vereinten Nationen, mit Ausnahme des Sicherheitsrats, können keine verbindlichen Entscheidungen treffen.

A/Res/73/254 erklärt, dass das UN Global Compact-Büro eine entscheidende Rolle bei der „Stärkung der Fähigkeit der Vereinten Nationen, strategische Partnerschaften mit dem Privatsektor einzugehen“, spielt. Es wird hinzugefügt:

In der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wird anerkannt, dass die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung vom aktiven Engagement sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors abhängt[.]

Während die Generalstaatsanwälte von 19 Bundesstaaten gegen BlackRock wettern könnten, weil es die politische Autorität der US-Senatoren an sich reißt, übt BlackRock lediglich seine Macht als geschätzter „öffentlich-privater Partner“ der US-Regierung aus. Das ist das Wesen der Global Governance. In Anbetracht der Tatsache, dass dieses System in den letzten 80 Jahren aufgebaut wurde, ist es für 19 Staatsanwälte etwas zu spät, sich jetzt darüber zu beschweren. Was haben sie in den letzten acht Jahrzehnten getan?

Den staatlichen „Partnern“ der UN-G3P fehlt es an „Autorität“, weil die UNO vor allem von den Rockefellers als öffentlich-private Partnerschaft gegründet wurde. Die zwischenstaatliche Struktur ist der Partner des infra-staatlichen Netzwerks privater Akteure. Was die Ressourcen betrifft, so übersteigt die Macht der „Partner“ aus dem Privatsektor die ihrer staatlichen Gegenspieler um ein Vielfaches.

Die Lehnsgüter der Unternehmen sind nicht durch nationale Grenzen begrenzt. BlackRock allein verwaltet derzeit ein Vermögen von 8,5 Billionen Dollar. Das ist fast das Fünffache des gesamten BIP des ständigen Mitglieds des UN-Sicherheitsrats Russland und mehr als das Dreifache des BIP des Vereinigten Königreichs.

Sogenannte souveräne Länder sind weder souverän gegenüber ihren eigenen Zentralbanken noch sind sie „souverän“ gegenüber internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF, der Neuen Entwicklungsbank (NDB), der Weltbank oder der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Die Vorstellung, dass irgendein Nationalstaat oder eine zwischenstaatliche Organisation in der Lage ist, das globale Netzwerk des Privatkapitals in die Schranken zu weisen, ist eine Farce.

Auf der COP26-Konferenz in Glasgow im Jahr 2021 bereitete König Charles III. – damals noch Prinz Charles – die Konferenz vor, um die bevorstehende Ankündigung der „Glasgow Financial Alliance for Net Zero“ (GFANZ) zu unterstützen. Er machte unmissverständlich klar, wer das Sagen hat, und stellte im Einklang mit den Zielen der UNO die Rolle der nationalen Regierungen als „befähigende Partner“ klar:

Das Ausmaß und der Umfang der Bedrohung, mit der wir konfrontiert sind, erfordern eine globale Lösung auf Systemebene, die auf einer radikalen Umgestaltung unserer derzeitigen, auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft beruht. Meine Damen und Herren, ich appelliere daher heute an die Länder, sich zusammenzutun, um ein Umfeld zu schaffen, das es jedem Wirtschaftszweig ermöglicht, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Wir wissen, dass dies Billionen, nicht Milliarden von Dollar kosten wird. Wir brauchen eine groß angelegte Kampagne in militärischem Stil, um die Kraft des globalen Privatsektors zu bündeln, der über Billionen verfügt, die weit über das globale BIP hinausgehen, und – mit allem Respekt – sogar über die Regierungen der führenden Politiker der Welt. Sie bietet die einzige reale Chance, einen grundlegenden wirtschaftlichen Wandel zu erreichen.

Sofern Putin und Xi Jinping nicht beabsichtigen, die Vereinten Nationen einschließlich aller ihrer Institutionen und Sonderorganisationen vollständig umzustrukturieren, scheint ihr Ziel, „die von den Vereinten Nationen geleitete internationale Architektur“ zu schützen, nichts anderes als ein Versuch zu sein, ihren Status als nominelle Führer der UN-G3P zu festigen. Wie die UN-DESA betont, ist dieser Anspruch auf politische Autorität durch die UN-G3P äußerst begrenzt. Globale Konzerne dominieren und sind dabei, ihre globale Macht durch „Multi-Stakeholder-Governance“ weiter zu konsolidieren.

Ob unipolar oder multipolar, die so genannte „Weltordnung“ ist das System der globalen Governance unter der Führung des Privatsektors – der Oligarchen. Die Nationalstaaten, darunter auch Russland und China, haben sich bereits bereit erklärt, den auf der Ebene der Global Governance festgelegten globalen Prioritäten zu folgen. Die Frage ist nicht, welches Modell der globalen öffentlich-privaten „Weltordnung“ wir akzeptieren sollten, sondern vielmehr, warum wir überhaupt eine solche „Weltordnung“ akzeptieren würden.

Dies ist also der Kontext, in dem wir die angeblichen Vorteile einer „multipolaren Weltordnung“ unter Führung Chinas, Russlands und zunehmend Indiens untersuchen können. Handelt es sich dabei um einen Versuch, wie von einigen behauptet, die Vereinten Nationen neu zu beleben und ein gerechteres und ausgewogeneres System der Weltordnungspolitik zu schaffen? Oder handelt es sich lediglich um die nächste Phase im Aufbau dessen, was viele als „Neue Weltordnung“ bezeichnen?

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